Etikettenschwindel aus der Steckdose
Dank günstigen, ausländischen Zertifikaten wird dreckiger Strom aus Kohle- und Gaskraftwerken in der Schweiz «grün» gewaschen. Die Konsumenten werden über den Tisch gezogen.
Da will man dem Klima oder dem guten Gewissen zuliebe, dass aus der heimischen Steckdose nur Solar-, Wasser-, Windstrom fliesst. Doch nun stellt sich heraus: Vor allem im Winter ist es Kohle- oder Gasstrom, garniert mit einem grünen Zertifikat, welcher den eigenen Haushalt am Laufen hält. Dabei heisst es in Studien, die Energie aus der Steckdose stamme hierzulande zu 76 Prozent aus erneuerbaren Quellen. Diese Zahl könnte kaum weiter von der Realität entfernt sein, wie die NZZ jüngst berichtet. Denn sie fusst nicht darauf, wo der Strom physisch herkommt, sondern sie wird auf der Grundlage von sogenannten Herkunftsnachweisen ermittelt. «Diese Zertifikate werden europaweit für jede Kilowattstunde nachhaltig produzierten Strom ausgestellt – und losgelöst vom tatsächlich gelieferten Strom gehandelt.» Der Energie Club Schweiz hat die Problematik ebenfalls bereits thematisiert.
Wie dieses Greenwashing im Einzelnen funktioniert, zeigt folgendes Beispiel: Ein Stromversorger kann an ausländischen Börsen Kohlestrom aus Deutschland erwerben. Indem dieser gleichzeitig einen Herkunftsnachweis aus einem skandinavischen Wasserkraftwerk beschafft, hängen sie dem dreckigen Strom ein grünes Mäntelchen um. Die entsprechenden Zertifikate gibt es praktischerweise zu einem Spottpreis. Zudem können die Nachweise für ein ganzes Jahr eingekauft werden. «So kann ein Nachweis für die Solarproduktion im Juli dazu verwendet werden, um den Stromverbrauch im Januar zu belegen. In Tat und Wahrheit jedoch stammt der Strom, der im Dezember aus der Steckdose kommt, bloss zu einem geringen Teil aus den Primärquellen Wasser, Sonne und Wind. Vielmehr handelt es sich vor allem um Strom aus dem Ausland, der unter anderem auch mit Kohle und Gas erzeugt wurde.» Diesem Etikettenschwindel ausgesetzt sind beispielsweise auch die Endkunden in der Stadt Zürich, wo bei den Elektrizitätswerken der Stadt Zürich (EWZ) für einen fixen Aufpreis grüner Strom bezogen werden kann – angeblich.
Kein Wunder regt sich Widerstand aus der Politik. Eine Verkürzung der Gültigkeit der Nachweise wäre eine Möglichkeit, wie man hier mehr Transparenz schaffen könnte. Entsprechende Vorstösse sind hängig. Wenn solche Nachweise nicht mehr auf Jahresbasis, sondern höchstens für einen Monat gültig wären, wäre schon viel erreicht. Denn das heutige System suggeriert, dass auch im Winter in der Schweiz beliebig erneuerbare Energie zur Verfügung steht. Was nachweislich falsch ist, aber wegen der ganzjährigen Nachweise so nicht auffällt. Bezeichnenderweise wollen gerade die EWZ nichts wissen von kürzeren Nachweisen. Offenbar möchte man die links-grünen Mehrheiten in der eigenen Stadt nicht desillusionieren. So könnte ja noch der eine oder andere Stromkonsument einsehen, dass links-grüne Klima- und Energiepolitik vielerorts ein Etikettenschwindel ist.