Explosiver Solarausbau bringt das Netz an seine Grenzen
Der rasante Ausbau von Solaranlagen bringt die Stromnetze zunehmend an ihre Belastungsgrenze. Nun schlägt die Berner Fachhochschule (BFH) vor, die Spannung aus dem System zu nehmen – nicht etwa durch smartere Netzplanung oder technologieoffene Innovation, sondern durch freiwilligen Verzicht: Besitzer von Photovoltaikanlagen sollen auf einen Teil ihrer Anschlussleistung verzichten. Als Ausgleich gibt es eine Einmalzahlung, den sogenannten Netzentlastungsbeitrag.
Die Idee klingt simpel und vielleicht etwas zu bequem: Wer seine Anlage gedrosselt ans Netz bringt, entlastet das System und erhält dafür Geld. Wie viel, richtet sich nach dem entgangenen Stromverkauf. Beispiel: Eine 20-kWp-Anlage, die nur 8 kW ans Netz liefert, soll laut BFH einmalig 5’400 Franken erhalten. Damit wäre das Problem gelöst – zumindest auf dem Papier.
Der Vorschlag basiert auf der Annahme, dass Leistungsspitzen wenig zum Ertrag, aber viel zu den Kosten beitragen. Der Gedanke: Warum nicht einfach auf diese Spitzen verzichten und sich dafür entschädigen lassen? Doch das wirft Fragen auf. Denn wenn ein Netz so gebaut ist, dass es unter dem Ansturm dezentraler Einspeisung einknickt, liegt das Problem wohl tiefer als bei den einzelnen Anlagenbesitzern.
Professor Christof Bucher von der BFH verteidigt das Modell. Viele würden den Beitrag nutzen, um einen Speicher zu kaufen und ihren Strom künftig gezielter und lukrativer zu vermarkten. Der Netzentlastungsbeitrag werde damit zum Motivationsbeitrag. Schön, wenn’s so kommt. Doch ob ein einmaliger Zuschuss wirklich genügt, um das Verhalten flächendeckend zu verändern, bleibt unklar. Vor allem, wenn die wirtschaftlichen Vorteile langfristig nicht gesichert sind.
Offen ist auch, wer in Zukunft das Sagen haben soll: der Netzbetreiber oder die Kundschaft? Zwei Varianten stehen zur Debatte. Entweder erhält der Netzbetreiber das Recht, die Einspeiseleistung zu beschränken – gegen Entschädigung. Oder die Anlagenbesitzer können selbst eine Begrenzung verlangen und der Betreiber muss zahlen. Bucher plädiert für beides zugleich. Ein Spagat, der zeigt, wie wenig Vertrauen offenbar in die derzeitigen Akteure gesetzt wird.
Wenig Klarheit herrscht bei der Finanzierung. Entweder sollen die lokalen Netzbetreiber die Kosten tragen, oder sie werden über Swissgrid auf alle Kunden überwälzt. Letzteres käme vor allem ländlichen Regionen zugute, würde aber städtische Netze zusätzlich belasten. Ob das gerecht ist, wird man diskutieren müssen. Die Idee wirkt jedenfalls wie ein schlechter Kompromiss – nicht wie eine langfristige Lösung. Für Bucher steht fest: Das aktuelle System ist ineffizient. Die Netzanschlusskapazität werde fast immer zu hoch angesetzt, was die Netze verteuert und kaum Nutzen bringt. Sein Fazit: Der Status quo schadet der Energiewende und ein Retrofit sei in Sicht.
Was offen bleibt: Ob der Vorschlag der BFH ein mutiger Schritt in die Zukunft oder doch nur ein Versuch ist, mit möglichst wenig Aufwand ein wachsendes Problem zu entschärfen.
Die Schweizer Stromproduktion aus Wasserkraft und Kernkraftwerken hat nie solche Probleme verursacht. Zum Glück darf man auch in der Schweiz wieder über neue AKW diskutieren!
