«Natrium», der Reaktor von Bill Gates.
Die SES behauptet unablässig, es habe in der Atomenergie-Technik seit Jahrzehnten keine Fortschritte mehr gegeben. Um das Gegenteil zu beweisen, wird der ECS in den nächsten Newslettern neue Typen von Reaktoren vorstellen, die kurz vor der Kommerzialisierung stehen oder bereits auf dem Markt sind. Den Anfang machen wir mit Bill Gates’ «Traveling Wave» Reaktor.
«Terra Power», die von Bill Gates mitgegründete Firma, nennt ihren Reaktor «Natrium». Das kann man in den USA so machen, weil das Metall dort «Sodium» heisst. Es ist ein Schneller Brüter in einer besonderen Konfiguration, der das erbrütete Plutonium ohne Wiederaufarbeitung nutzen kann und der statt mit Wasser mit flüssigem Natrium gekühlt wird.
Die Anfänge der Entwicklung reichen zurück ins Jahr 2010 als die Idee eines «Traveling Wave» Reaktors durch die neu gegründete «TerraPower» umgesetzt werden sollte. Bereits 2015 war man soweit, dass erste Versuche gemacht werden konnten und man schloss dazu ein Abkommen mit einem chinesischen Reaktorbauer. Im Januar 2019 erlitt das Projekt einen bitteren Rückschlag, als die erste Trump-Administration eine weitere Zusammenarbeit mit China verbot. Man musste im Bundesstaat Washington von vorne beginnen.
Die Idee des «Traveling Wave» Reaktors ist genial-einfach: Er funktioniert wie eine Zigarre – eine grosse Zigarre. Sie besteht aus Natururan. Angezündet wird sie mit angereichertem Uran-235. Darin entsteht eine kontrollierte Kettenreaktion. Die dabei entstehenden Neutronen verwandeln das benachbarte Uran-238 in Plutonium-239, das ebenfalls spaltbar ist. Wenn genügend Pu-239 entstanden ist, wandert die Zone mit der Kettenreaktion weiter und hinterlässt als Asche Spaltprodukte.
In dieser simplen Form kann man allerdings keinen Reaktor bauen. Man könnte ihn nicht steuern und die Wärmeabfuhr wäre schwierig. Also baut man ihn wie einen klassischen Reaktor mit Brenn- und Kontrollstäben in einem zylindrischen Becken.
In diesem Konzept werden die Neutronen nicht abgebremst («moderiert»). Warum, wenn doch langsame Neutronen 500 Mal effizienter spalten? Weil schnelle Neutronen besser darin sind, U-238 in Pu-239 zu verwandeln. Schnelle Neutronen können ausserdem auch die «Transurane» transmutieren und spalten – ganz ohne Beschleuniger, wie ihn Transmutex benötigt.
Das angereicherte Uran befindet sich in der Mitte und darum herum Brennstäbe aus Natururan oder abgebrannten Brennstäben aus Leichtwasserreaktoren oder abgereichertes Uran. Nach einigen Jahren wird der Reaktor umgeschichtet. Die zentralen Brennstäbe haben ihr U-235 aufgebraucht und wandern an die Peripherie. In der zweiten Reihe hat es jetzt genug Pu-239, dass eine Kettenreaktion entstehen kann, wenn sie ins Zentrum gebracht werden. So kann das jahrzehntelang weitergehen.
Die zweite Besonderheit: Der primäre Natrium-Kreislauf überträgt die Wärme an einen Flüssigsalzkreislauf. Dieser erzeugt den Wasserdampf, der die Turbinen und den Generator betreibt. Aber hier zeigt sich die Genialität des Systems: Im Flüssigsalzkreislauf befinden sich zwei grosse Tanks, welche die Wärme speichern und nach Bedarf abgeben können. Das heisst, der Reaktor läuft konstant mit Höchstleistung, aber das Kraftwerk ist lastfolgend. Das bedeutet, dass das 350 MW Kraftwerk während über 5 Stunden 500 MW Leistung liefern kann. Die dritte Besonderheit: Der «Natrium» steht vor dem Baubeginn. Der Standort (Kemmerer in Wyoming) ist bekannt und bewilligt, der Reaktor hat eben die Sicherheits-Zertifizierung von der Nuclear Regulatory Commission (NRC) erhalten. Sämtliche Lieferanten von Bestandteilen, Materialien und Software sind bekannt und publiziert und die Bauarbeiten am nicht-nuklearen Teil haben begonnen.
Die Baubewilligung für den Reaktor wird für 2026 erwartet und nach einer Bauzeit von 4 Jahren dürfte im Jahr 2030 die erste Kettenreaktion einsetzen. Als erstes Bauwerk seiner Art (FOAK, first of a kind) wird es teuer. Man erwartet Kosten von 4 Milliarden. Das entspricht fast 12'000 $ pro Kilowatt. Allerdings hat die öffentliche Hand zu den Entwicklungskosten massiv beigetragen. Barakah kostete 5'000$ pro kW und das sind die Kosten, die konkurrenzfähig sind. Ein NOAK ( Nth of a kind) muss also zu weniger als den halben Kosten zu haben sein. Das sollte mit dem Anfahren der Massenproduktion zu schaffen sein.
