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Die Renaissance der Kernenergie

Seit der Energiewende von 2011 wird die Kernkraft in der Schweiz oft als «Technologie von gestern» abgetan. Doch die globale Entwicklung erzählt eine andere Geschichte. Die Blackout-Initiative wird dem Volk die Möglichkeit geben, über die Kernenergie erneut abzustimmen.

Im Ausland, insbesondere in den USA, hat sich eine regelrechte Renaissance der Kernenergie entfaltet. Bereits letztes Jahr haben 19 Länder an der COP 28 beschlossen, den Anteil der Kernkraft zu verdreifachen. Dieses Jahr, an der COP 29, schlossen sich weitere Staaten an. Mittlerweile sind es 30 Länder, neben den USA etwa auch Frankreich Grossbritannien, Schweden, Polen oder Ungarn.

Ein Meilenstein in den USA war die Verabschiedung der «Advance Act», eines umfassenden Gesetzespakets zur Förderung der Kernkraft, das mit einem überwältigenden parteiübergreifenden Mehr von 88 gegen 3 Stimmen im Senat verabschiedet wurde. In der Schweiz wird hingegen immer noch von der «politisch umstrittenen Kernkraft» gesprochen, während sich das Blatt anderswo längst gewendet hat.

Neue Bedürfnisse in einer elektrifizierten Welt Was hat sich geändert? Das Zeitalter der künstlichen Intelligenz benötigt enorme Mengen an sauberem Strom – rund um die Uhr und während des ganzen Jahres. Zusätzlich sorgt die Elektrifizierung des Verkehrs und der Heizungen durch Wärmepumpen für einen stetig wachsenden Strombedarf.

Die Energiestrategie von 2017 ging fälschlicherweise von einem 13-prozentigen Rückgang des Strombedarfs bis 2035 aus. Diese Annahmen sind überholt. Stromsparen ist keine ausreichende Lösung mehr; es geht um Geopolitik, Prosperität und Wettbewerbsfähigkeit. In den USA herrscht darüber inzwischen ein breiter Konsens.

Auch Tech-Giganten wie Meta, Google, Amazon und Microsoft setzen auf Kernenergie. Meta hat kürzlich eine Ausschreibung für nukleare Stromquellen gestartet, Google kooperiert mit dem Kernenergie-Startup Kairos, Amazon baut Small Modular Reactors (SMR) und kauft Strom von bestehenden Reaktoren, und Microsoft hat einen 20-Jahres-Vertrag über 800 Millionen Dollar pro Jahr für den Strom des Three-Mile-Island-Reaktors abgeschlossen – insgesamt 16 Milliarden Dollar für die Produktion eines älteren Reaktors.

Im Rahmen der «Energiewende» hat Deutschland 17 Reaktoren stillgelegt, von denen die meisten problemlos weitere 20 Jahre hätten sicher betrieben werden können. Dieser Entscheid hat einen volkswirtschaftlichen Schaden von etwa 250 Milliarden Dollar verursacht – berechnet zu den Tarifen von Microsoft. Gleichzeitig leidet die deutsche Industrie unter steigenden Stromkosten, und das Land verliert zunehmend an Wettbewerbsfähigkeit.

Der französische Reaktor Flamanville, der nach 17 Jahren Bauzeit und über 13 Milliarden Euro Kosten kürzlich ans Netz ging, kann dabei nicht als Beweis für Ineffizienz der Kernenergie und damit die Alternativlosigkeit des deutschen Weges stehen. Vielmehr verdeutlicht er die Probleme durch Überregulierung und Bürokratie.

Bereits in den 1970er- und 1980er-Jahren hat die westliche Welt bewiesen, dass der Bau zahlreicher Kernkraftwerke in kurzer Zeit möglich ist, um die Energieversorgung zu dekarbonisieren. Trotz der viel zu langen Bauzeit und massiven Kostenüberschreitungen bleibt das Projekt höchst ökonomisch: Mit einer Kapazität von 1600 MW, die über 8000 Stunden pro Jahr und 60 Jahre Laufzeit genutzt werden kann, produziert Flamanville rund 768 Terawattstunden Strom – das ergibt Stromgestehungskosten von weit unter 10 Cent pro Kilowattstunde. Trotz widriger Umstände ist dies eine wirtschaftlich tragfähige Lösung. Statt Flamanville als Mahnmal zu sehen, sollte es ein Weckruf sein, Regulierungen zu modernisieren und so eine schnellere, kosteneffiziente Dekarbonisierung durch Kernenergie mit Erneuerbaren zu ermöglichen.

Die Schweiz muss die Versorgung sichern In der Schweiz finden die positiven Entwicklungen im Ausland kaum Erwähnung in den Medien. Stattdessen dominieren reisserische Schlagzeilen über Kernkraft und überoptimistische Prognosen zu den neuen Erneuerbaren.

Der Zubau von Solarenergie wird häufig als Lösung propagiert. Doch die Schweiz hat nur etwa 1100 Sonnenstunden pro Jahr; die restlichen 7660 Stunden ist es dunkel, bewölkt oder schneebedeckt. An sonnigen Sommernachmittagen wird heute schon so viel Strom produziert, dass der Preis ins Negative fällt. Solarstrom mag günstig erscheinen, doch oft ist der eingespeiste Strom wertlos, wenn er nicht gespeichert werden kann. Zusätzlicher Ausbau ergibt nur mit entsprechender Speicherkapazität einen Sinn, und die Verteilnetzbetreiber müssen dringend ihr Stromnetz um- und ausbauen, was Milliarden kostet.

Die Axpo hat kürzlich angekündigt, das älteste Kraftwerk der Welt, Beznau 1, nur bis 2033 in Betrieb zu lassen. Die Schweiz braucht dringend Ersatzinvestitionen. Die Blackout-Initiative schafft die verfassungsmässige Grundlage für eine sichere Energiezukunft und stärkt die Versorgungssicherheit.

Die Zeit ist reif, die Kernenergie wieder als das zu betrachten, was sie ist: eine essenzielle Technologie für eine stabile, saubere und wettbewerbsfähige Energieversorgung. Die Schweiz sollte sich an den internationalen Entwicklungen orientieren und den Mut fassen, ihren Energiemix zu überdenken. Das Volk muss Gelegenheit haben, bald darüber abzustimmen.

Autor: Daniel S. Aegerter ist Vorsitzender und Gründer von Armada Investment AG und Mitglied des Komitees der Blackout-Initiative; er hält auch Beteiligungen im Bereich der Kernenergie.