Warum Kernenergie?
Die ETH-Nuklearforscherin Annalisa Manera widerlegt in einem grossen Interview in der Handeslzeitung sämtliche Argumente der Atomkraft-Gegner. Die Lektüre des Gespräches lohnt sich.
In der Handelszeitung führt Florian Fels ein Gespräch mit der renommierten ETH-Professorin und Nuklearforscherin Annalisa Manera. Im Interview räumt Annalisa Manera mit den gängigen und immer wieder vorgebrachten Argumenten der Schweizer Atom-Gegner auf. Und sie begründet schlüssig, warum es auch für die Schweiz sinnvoll ist, neue Atomkraftwerke zu bauen.
Im Sinne einer Kurzzusammenfassung folgend die wichtigsten Aussagen von Annalisa Manera:
- Um eine bestimmte Menge Energie zu erzeugen braucht ein Kernkraftwerk eine Million mal weniger Rohstoff als ein Kohle- oder Gaskraftwerk. Darum ist der Beitrag von Uran zu den Stromkosten sehr tief. Wenn dereinst die vierte Generation von Atomkraftwerken eingesetzt wird, lohnt es sich, Uran aus dem Meerwasser zu gewinnen. Dann ist Atomkraft erneuerbar.
- Für Windkraft und Solarzellen sowie für die zugehörigen Batterien stammt ein Grossteil der Materialien aus dem Bergbau. Das ist also gleich, wie bei allen anderen Energiequellen. Die Bezeichnung «erneuerbare Energie» verschleiert diesen Umstand.
- Kernenergie hat eine bessere CO2-Bilanz, als die erneuerbaren Energien. Weil Kernenergie zudem die höchste Energiedichte aller Energiequellen hat, wird pro erzeugter Terawattstunde die geringste Menge an Material benötigt.
- In Deutschland zeigen sich die negativen Konsequenzen des Atomausstiegs immer deutlicher. Die Strompreise gehören zu den höchsten in Europa. Grund dafür sind der hohe Anteil erneuerbarer Energien im Energiemix. Sie erhöhen die Gesamtsystemkosten aufgrund von Backup und Speicherungen massiv. Ausserdem schadet das fossile Backup (Kohle und Gas) dem Klima massiv.
- In Europa dauert der Bau neuer Kernkraftwerke länger, weil die Lieferketten wieder aufgebaut werden müssen. In Japan wurden Reaktoren der Generation 3plus in weniger als viereinhalb Jahren gebaut. Südkorea hat in den arabischen Emiraten vier grosse Kernkraftwerke innerhalb von neun Jahren errichtet.
- Für Investoren lohnt es sich in Solar- und Windenergie zu investieren, weil sich die Subventionen von Bund und Kantonen auf bis zu 60 Prozent belaufen. Zum notwendigen Ausbau des Stromnetzes und Versorgungssicherheit (Backup) müssen die Betreiber nichts beisteuern. Kernenergie benötigt keine Subventionen.
- Viele europäische Länder setzen auf Kernenergie. Darunter Frankreich, Schweden, Niederlande und Grossbritannien. Polen steigt in die Kernenergie ein, um die Kohlekraftwerke zu ersetzen. Auch in Italien spricht man über eine Rückkehr zur Kernenergie.
- Die aktuellsten Studien zeigen, dass Kernenergie im Energiemix der Schweiz zu geringeren Stromkosten und einer geringeren Abhängigkeit von Stromimporten aus dem Ausland führt. Zudem könnte man die bestehenden Netze nutzen, wenn man die neuen Werke an den bestehenden Standorten baut.
- Die Schweiz muss mit der wegfallenden Kernkraft rund 23 Terawattstunden pro Jahr ersetzen. Dazu könnte man zwei grosse Kernkraftwerke bauen oder eine Kombination aus einem grossen Kraftwerk und mehreren kleinen Kraftwerken.
- In Finnland gibt es jetzt ein Tiefenlager. In Schweden macht das Tiefenlager grosse Fortschritte. In der Schweiz ist das Tiefenlager ebenfalls auf gutem Weg. Dank der hohen Energiedichte ist das Volumen des Abfalls sehr gering – insbesondere im Vergleich zu hochgiftigen chemischen Abfällen, die ewig giftig bleiben.
- Die Schweiz sollte in einem ersten Schritt das Neubauverbot zurücknehmen. In einem zweiten Schritt sollte das dreistufige Genehmigungsverfahren gestrafft werden.