China: (Noch) Klimasünder Nummer eins
China hat eine eindrückliche Wirtschaftsentwicklung hinter sich. Und das Land entwickelt sich weiter. Der Energiehunger in der Volksrepublik ist enorm. Um die Versorgung zu sichern, setzt das Reich der Mitte auch auf Kernenergie.
In der NZZ erschien ein informativer Artikel von Wirtschaftsredaktor Peter Fischer über die wirtschaftliche und politische Situation in der Volksrepublik China. Anass war die Sitzung des Zentralkomitees der KPC. Wie fast alle Korrespondenten, die über China berichten, hat er sich zu einem wichtigen Segment ausgeschwiegen: Der Kernenergie.
Die chinesische Wirtschaft hat in den letzten 3 Jahrzehnten eine unglaubliche Entwicklung zustande gebracht. Das verfügbare Einkommen hat sich in dieser Zeit verfünffacht. War China zu Beginn des Aufschwungs noch der belächelte Kopierer, hat sich das gründlich geändert. Fischer schreibt: «China ist von der billigen Werkbank der Welt zu einer sich rasant modernisierenden Wirtschaft geworden, die nicht mehr nur kopiert und produziert, sondern selbst innovativ ist und in vielen Tech-Bereichen mit der weltweiten Spitze konkurriert.»
Dass die Elektromobilität und die Künstliche Intelligenz dazu gehören, darüber hört und liest man täglich. Dass China auch auf dem Gebiet der Kernenergie zur Weltspitze gehört, scheint ein gut gehütetes Geheimnis zu sein. Warum eigentlich?
Als am 25. Mai 2024 der Block Fang-cheng-gong-4 den kommerziellen Betrieb aufnahm, hatte China mit Frankreich gleichgezogen: Es verfügte jetzt über 56 Reaktoren, gleichviele wie Frankreich. Natürlich bleibt man dabei nicht stehen: Per Ende Juli 2024 sind in China sage und schreibe 30 Reaktoren im Bau!
Aber es gibt doch gar keine baureifen Kernkraftwerk-Typen, wie man uns ständig weismachen will? Natürlich gibt es die. Es sind Reaktoren der dritten Generation, die überall auf der Welt (ausser in Europa und USA) mit grossem Erfolg gebaut werden. In China hat man auf das bewährte Prinzip «Kopieren und Verbessern» gesetzt. Das Standardmodell «APWR-1000» ist aus Elementen des US-amerikanischen AP-1000 und des Französischen EPR entstanden. Beide Typen hat man in Lizenz gebaut – im Budget und im Zeitplan, im Gegensatz zu den westlichen Originalen mit Zeit und Kosten-Überschreitungen. Als «Hua Long One» soll er zum Exportschlager werden. Bisher hat Pakistan zwei beschafft. Auch Argentinien ist interessiert – wenn man dort wieder Geld hat. Mit seinen passiven Schutzsystemen – Doppelcontainment und Core Catcher – gilt er als vollkommen ungefährlich und kann an jedem Standort gebaut werden; eine Evakuationszone braucht es nicht. Die Kosten betragen in China 2’800 bis 3’500 USD pro kW. Diese Kosten liegen damit unter denen des koreanischen APR-1400 mit 4’400 USD/kW. Die ersten zwei Hua Long One sind innerhalb von 6 Jahren fertiggestellt worden.
Die Chinesen begnügen sich nicht damit, die besten Reaktoren der dritten Generation zu bauen; sie sind auch in der vierten Generation aktiv: Eben haben die seit zwei Jahren kommerziell laufenden zwei Hochtemperatur-Kugelhaufenreaktoren in Shidaowan einen kritischen Sicherheitstest bestanden: Nach einem simulierten LOCA (Loss of coolant accident, Kühlmittelverlust-Unfall) haben sie sich selbst abgestellt und stabilisiert. Und seit ebenfalls zwei Jahren ist der Prototyp eines Flüssigsalzreaktors im Versuchsbetrieb, der später mit Thorium betrieben werden kann.
Wenn man nach China schaut stimmen die Argumente gegen Kernenergie – zu teuer, zu spät, zu lange Bauzeit – definitiv nicht. Warum kaufen wir unsere Solarzellen in China, aber keine Kernkraftwerke? Eine politische Frage, die niemand stellt – warum eigentlich? In unseren Zeitungen liest man nur vom Erneuerbaren-Ausbau und neuen Kohlekraftwerken in China. Die zahlreichen AKW, welche den zunehmenden Stromverbrauch decken helfen, verschweigt man!