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Morgendämmerung?

Das dänische Startup Copenhagen Atomics realisiert gemeinsam mit dem Paul-Scherrer-Institut ein kleines Test-AKW. Das mutige Projekt soll drei Jahre dauern. Der Energie Club Schweiz war bei der Lancierung dabei.

Copenhagen Atomics ist eine junge Firma mit einer Idee, also ein Start-up. Das Problem, das alle Start-ups haben: Sie verdienen (noch) kein Geld. Sie versuchen deshalb, ihre Idee zu verkaufen – das heisst, Investoren davon zu überzeugen, dass sie später viel Geld verdienen können, wenn sie jetzt investieren. Dazu machten sie eine «Road Show». So auch Copenhagen Atomics Am 12. März dieses Jahres waren sie in Zürich. Der Energie Club Schweiz war dabei.

Anwesend waren wagemutige Investoren und Nuklearfachleute. Vor allem die letzteren staunten: Ein so originelles Konzept eines Kernreaktors hatte man noch kaum gesehen. Der Brennstoff soll als flüssiges Salz zirkulieren. Dabei ist der Energierohstoff nicht etwa Uran, sondern Thorium. Aber Thorium ist nicht spaltbar. Es muss zuerst in Uran 233 umgewandelt werden. Dazu braucht es Neutronen. Die kommen am Anfang aus der Spaltung von U-235 oder Pu-239, in diesem Prototyp wohl angereichertes Uran.

Langsame Neutronen sind bessere Spalter als die schnellen Neutronen, die bei der Spaltung entstehen. Das heisst, mit langsamen Neutronen wird die «kritische Masse», also die Menge Uran, welche eine selbständige Kettenreaktion aufrechterhalten kann, kleiner. Um die Neutronen abzubremsen, wählten die Dänen Schweres Wasser. Dabei verfielen sie auf eine originelle Idee für den Aufbau des Reaktors. Im Zentrum des Reaktors befindet sich ein kugelförmiger Topf mit Schwerwasser. Darum herum fliesst in einer Kugel-Schale das flüssige Salz mit dem Brennstoff, gefolgt von einer Schale mit Schwerwasser und schliesslich eine weitere Schale mit Flüssigsalz, wo Thorium in U-233 erbrütet wird. Nicht umsonst nennen die Dänen ihren Reaktor «Zwiebel». Die Nuklearfachleute waren beeindruckt, aber auch irritiert: Wie verhindert man, dass das Schwerwasser heiss wird und damit Druck aufbaut? Die Dänen sehen kein Problem: kann man kühlen. Wie holt man das erbrütete U-233 aus der Brutschale heraus? In einer separaten chemischen Anlage. Und so weiter. Im Prinzip geht es. Man muss es nur noch machen. Wer kann das?

Seit dem 11. Juli ist die Katze aus dem Sack: Die Schweizer am PSI sollen das können. In seinem Format «Bern einfach» berichtete der Nebelspalter von einem Abkommen zwischen Copenhagen Atomics und dem Paul Scherrer Institut (PSI). Am 13. Juli bestätigte die NZZ am Sonntag den Sachverhalt: Die «Zwiebel» wird am PSI unter der Leitung von Prof. Andreas Pautz weiterentwickelt. Bereits in drei Jahren könnte der Reaktor kleine Mengen Energie erzeugen.

Darf man das? Kernenergie ist doch in der Schweiz verboten! Nein. Nur neue Kernkraftwerke darf man zurzeit nicht bauen. Kleine Forschungsanlagen mit geringer Gefährdung brauchen keine Rahmenbewilligung. Die Forscher am PSI werden an der kurzen Leine des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats (ENSI) geführt. Trotzdem sind sie glücklich. Besser an kurzer Leine geführt, als die Hände gefesselt. Die «Zwiebel» ist ein Versuchsreaktor wie der «Crocus» an der EPFL in Lausanne und der langjährige Forschungsreaktor der Universität Basel, der erst 2021 stillgelegt wurde.

Der Leitung des PSI darf zu ihrem Mut gratuliert werden, sich mit diesem Projekt neue Erkenntnisse über Salzschmelzreaktoren auf Thoriumbasis zu verschaffen.

Der "Zwiebel-Reaktor": Eine dänische-schweizerische Kooperation für die Zukunft.