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Jede Terawattstunde zählt

Die Stromversorgung wird nur gesichert werden können, wenn wir nach dem Motto verfahren: Alles, und alles jetzt. Denk- und Technologieverbote werden uns nicht retten. Daher gilt: Ausbauen, wo es nur geht – und vergangene Fehler korrigieren.

Dogmen können wir uns in der Energieversorgung nicht leisten. Die letzten zwei Jahre sollten hierzu Lektion genug gewesen sein. Wenn die Schweiz ihre Versorgung mit Strom heute und in Zukunft sicherstellen will, so müssen alle Akteure darauf hinarbeiten, dass dieser baldmöglichst in genügender Menge vorhanden ist und die Produktion möglichst CO2-neutral erfolgt. Politische Spielchen liegen schlicht nicht mehr drin.

Dies sieht auch Michael Wider, der scheidende Präsident des Strombranchenverbandes VSE, so. In einem Interview mit der NZZ sagt er: «Die Energieversorgung der Zukunft wird aus vielen Puzzlesteinen bestehen. Es ist sinnlos, sich auf einen einzelnen zu fixieren.» Schon gar nicht soll man «Nuklear-, Wasser- und Solarenergie gegeneinander ausspielen».

Leider ist aber genau dies in den letzten Jahren geschehen. Das Neubauverbot für Kernkraftwerke in der Schweiz war voreilig und geschah stets mit dem Verweis darauf, dass die Stromversorgung in der Schweiz auch ohne Kernkraft gesichert sei. Solar-, Wind- und Wasserkraft würden es richten. Heute sehen wir: Die Energiewende harzt. Solargrossprojekte in den Alpen scheitern an fehlenden Stromleitungen, am politischen oder juristischen Widerstand oder werden massiv redimensioniert. Der sogenannte Solarexpress des Bundes bekam im Sonnenkanton Wallis eine Abfuhr an der Urne. Gemeinden haben letzthin zehn Freiflächenanlagen abgelehnt (Disentis, Saanen, Surses um nur einige zu nennen).

Bei der Windkraft sind die Widerstände nicht kleiner. Die neue Initiative «Gegen die Zerstörung unserer Wälder durch Windturbinen» wird auch nicht helfen. Klar scheint auch, dass ohne Subventionen kaum etwas zustande kommen dürfte. Bei der Abstimmung zum Energiegesetz 2017 hatte man dem Stimmvolk versprochen, dass die Subventionen 2022 auslaufen und nun will der Solarexpress gar 60% subventionieren. Wurden da die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger über den Tisch gezogen?

Dass man es trotzdem versucht, ist richtig und wichtig. Will die Schweiz ihre Stromversorgung sichern, sind wir auf den Zubau von nachhaltigen Stromquellen angewiesen. Gerade angesichts der grossen Widerstände im ganzen Land gegen neue Grossprojekte können wir es uns nicht leisten, à priori CO2-neutrale Technologien auszuschliessen. Vielmehr müssen wir schon heute mehrgleisig fahren. Leider irrt Michael Wider vom VSE genau in diesem Punkt, wenn er für die kurze und mittlere Frist den Fokus alleine auf den Ausbau der erneuerbaren Energien legen möchte. Noch sind vier Kernkraftwerke in der Schweiz in Betrieb, die 35% unseres Stroms liefern. So hat Wider Recht, wenn er sagt: «Wir haben noch nicht einmal richtig mit der Umsetzung der Energiestrategie begonnen». Aber er verkennt, dass die Widerstände zunehmen.

Daher gilt: Ohne Scheuklappen und so schnell wie möglich den Um- und Neubau der Schweizer Stromproduktion planen. Dazu gehört auch die Kernkraft. Denn wie bei der Solar- und Windkraft dürfte es auch hier Widerstände geben. Der erste besteht in Form eines Neubauverbots. Eigentlich wäre es am Parlament, dieses Verbot aus dem Kernenergiegesetz zu kippen. Leider ist dies bis heute nicht geschehen. Deshalb braucht es die Blackout-Initiative, um alle klimaschonenden Stromerzeugungsarten wieder zu zulassen und sich auch mit der Planung neuer Kernkraftwerke zu befassen. Denn wenn wir nicht schon heute auf alle nachhaltigen Stromquellen setzen, werden wir das Ziel Netto-Null 2050 niemals erreichen.

Die Energieversorgung der Zukunft besteht aus vielen Puzzleteilen. Im Bild: VSE-Präsident Michael Wider.