?
Danke für Ihre Anfrage. Wir werden uns so bald wie möglich bei Ihnen melden.

«Mit Kernkraft liesse sich das Klima retten»

Deutschland steigt endgültig aus der Kernkraft aus. Begleitet wurde der politische Fehlentscheid von Demonstrationen in Berlin. Ein Erfahrungsbericht aus der deutschen Hauptstadt.

Von Martin Schlumpf

Als ich am letzten Samstag, den 15. April 2023, in Berlin zum Brandenburger Tor kam, regnete es. Es war die ideale Kulisse für ein einmaliges Trauerspiel, das sich in Deutschland abgespielt hat: An diesem Tag wurden die letzten drei noch laufenden Kernkraftwerke endgültig vom Netz genommen. Das war das Aus für eine rund um die Uhr zuverlässige Stromproduktion aus Kernkraftwerken, die zu den besten der Welt zählen.

Wenn man an diesem Samstag von der Stadt her beim Brandenburger Tor ankam, traf man aber zuerst auf eine Demo der Atomkraft-Gegner, die ihren Sieg über die Kernkraft symbolisch feierten: Der von den Atomgegnern erstochene deutsche Atomkraftdrache liegt erledigt am Boden: «Deutsche Atomkraft – besiegt am 15. April 2023!» Darum herum liegen kaputte und rostige Atommüll-Fässer, neben einzelnen Schildern, die das Wappenzeichen dieser Anti-AKW-Bewegung tragen: «Atomkraft? Nein Danke». Die Resonanz auf die Reden an dieser Demo war bei den Passanten aber nicht allzu gross – soweit ich das verfolgen konnte.

Ging man dann weiter durch das Brandenburger Tor hindurch, kam man direkt zu derjenigen Demo, zu der ich als Autor des Buches «Atomkraft – Das Tabu» eingeladen worden war. Hier, auf der anderen Seite dieses Wahrzeichens von Berlin, versammelten sich diejenigen, die gegen die jetzt definitive Verschrottung von insgesamt über zwanzig deutschen Kernkraftwerken seit dem Atom-Unfall von Fukushima 2011 protestieren wollten. Dieser Protest war nicht zuletzt auch gegen den deutschen Wirtschaftsminister Robert Habeck gerichtet, der offensichtlich über die Existenzberechtigung von Kernkraftwerken äusserst parteiisch urteilt.

Die Scheinheiligkeit des deutschen Wirtschaftsministers

Vor kurzem hat er auf seiner Reise nach Kiew nämlich wörtlich gesagt: «Die Ukraine wird an der Atomkraft festhalten. Das ist völlig klar – und das ist auch in Ordnung, solange die Dinger sicher laufen. Sie sind ja gebaut.» Dass durch Krieg bedrohte Kernkraftwerke weiter laufen, findet er also in Ordnung, «weil sie ja gebaut sind». Dasselbe Argument zählt aber nicht, wenn es um die eigenen sicher über Jahrzehnte produzierenden Werke geht.

Diese Scheinheiligkeit eines eigenen Ministers wurde in Reden an dieser Demo ebenso gegeisselt, wie die absurde Tatsache, dass eine von den deutschen Grünen als grösste Gefahr bezeichnete Klimakrise nicht durch die CO2-freie Kernkraft bekämpft werden soll. Der Grundtenor der Statements an dieser Demo war denn auch: «Mit Kernkraft liesse sich das Klima retten.»

Pro-Atom-Demo mit internationaler Beteiligung

Organisiert wurde die Demo von Nuklearia, einem Verein, dem es um Umweltschutz mit Kernenergie geht, zusammen mit der Partei der Humanisten, dem polnischen NGO FOTA4Climate sowie den internationalen NGO RePlanet, Mothers for Nuclear und Voices for Nuclear. Gesamthaft stand sie unter dem Motto «Kernkraft gewinnt».

Es war eindrücklich zu beobachten, wie an dieser Pro-Atom-Demo – die Veranstalter sprechen von 400 Teilnehmenden – ein internationales Publikum beteiligt war. Menschen aus Deutschland, Frankreich, Belgien, Dänemark, Finnland, der Schweiz und Österreich wurden eingeladen und nahmen teil. Eine besonders grosse Gruppe war aus Polen angereist.

Deutschland steht allein mit dem Atomausstieg

So wurde trotz teilweise strömendem Regen friedlich getanzt, gesungen und in kurzen Reden die Kernkraft als beste Energiequelle gefeiert: «Nuclear wins». Im Gegensatz zur Anti-Atom-Demo auf der anderen Seite des Brandenburger Tores war hier Deutsch als Sprache in der Minderheit. Das illustriert bestens, wie der deutsche Sonderweg eines Kernkraftausstiegs im internationalen Kontext allein dasteht.

Ob es in Deutschland noch möglich sein wird, einige der stillgelegten Kernkraftwerke zu reanimieren, steht in den Sternen – mit der jetzt bestehenden Ampelregierung offensichtlich nicht. Und die offizielle Berichterstattung in der Tagesschau und in den Tagesthemen der ARD vom 15. April tut das Ihre, um diesen Befund zu zementieren: Mit keinem Wort wurde dort die hier beschriebene Pro-Atom-Demo erwähnt. Wohl aber die Anti-AKW-Demos an andern Orten.

Martin Schlumpf ist Mitglied des Expertenbeitrages des Energie Club Schweiz. Sein Erfahrungsbericht ist im Nebelspalter erschienen.

Menschen aus Deutschland, Frankreich, Belgien, Dänemark, Finnland, der Schweiz und Österreich demonstrierten in Berlin für die klimaneutrale Kernkraft (Foto: zvg.).