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Hat Atomkraft eine Zukunft?

Deutschland hat seine Kernkraftwerke endgültig vom Netz genommen. Es stellt sich die Frage, ob Kernkraft noch eine Zukunft hat. Ja hat sie - denn die Vorteile sind offensichtlich.

Von Vanessa Meury

Gut eineinhalb Monate bevor in Deutschland das letzte Kernkraftwerk vom Netz geht, hat am 1. März 2023 die japanische Regierung beschlossen, dass ihre Kernreaktoren über die derzeitige Grenze von 60 Jahren hinaus betrieben werden können. Neubauprojekte sind zudem nicht ausgeschlossen. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass just jenes Land, das mit dem Unfall im Kernkraftwerk Fukushima für den Atomausstieg Deutschlands verantwortlich war, wieder auf Kernenergie setzt, während sich Deutschland und bald auch die Schweiz davon verabschieden.

Wie sind diese Unterschiede in der Beurteilung der Kernenergie zu erklären? Ist es die viel zitierte „German Angst“, die in Deutschland, aber auch der Schweiz eine nüchterne Kosten-Nutzenabwägung verhindert?

Unternehmen gehen in die Insolvenz

Der Atomausstieg Deutschlands ist keineswegs ein Einstieg in die Erneuerbaren Energien, wie versprochen. Trotz rekordverdächtigen Zubaus von Windrädern und anderen Erneuerbaren Energien ist es vielmehr ein Hochfahren der fossilen Stromproduktion. Dass es im Zuge des Ukrainekrieges gar zu einer Renaissance der Kohle kam, zeigt eigentlich die ganze Misere der gegenwärtigen deutschen Energiepolitik. Mit allen negativen Konsequenzen wie massive CO2-Emmissionen, sehr hohe Energiepreise und Energieknappheit, die jetzt auch auf die weltweit geschätzte deutsche Industrie durchschlagen. Im ganzen Land gehen Unternehmen in die Insolvenz oder verlegen die Produktion ins Ausland.

In der Schweiz hat sich das Volk 2017 im Rahmen der sogenannten „Energiestrategie 2050“ für ein Neubauverbot von Kernkraftwerken ausgesprochen. Stand heute sind noch vier Kernkraftwerke am Netz. Wie lange diese noch produzieren, hängt von Sicherheitsprüfungen ab. Daher gibt es im Gegensatz zu Deutschland keine fixen Abschaltdaten. Und doch wird die Schweiz dereinst ohne Kernkraftwerke dastehen.

Wir werden damit jene Fehler wiederholen, die Deutschland bereits heute macht. Klug ist das nicht. Vor allem wenn man bedenkt, dass der traditionelle Strommix der Schweiz in Sachen CO2- Emissionen und Versorgungssicherheit nahezu perfekt war: Wasserkraft und Kernkraft tragen hierzulande die Hauptlast und sorgen für eine klimaneutrale Stromversorgung.

Man muss kein Prophet sein, um zu sehen, dass man diese Menge an Bandstrom nicht mit heimischer Photovoltaik und Windkraft ersetzen kann. Das lehrt uns das Beispiel Deutschland sehr anschaulich. Trotzdem wird im politischen Diskurs gerne Gegenteiliges behauptet.

Die Schweizer „Energiestrategie 2050“ war von Anfang an eine Importstrategie – genau wie die deutsche Energiewende auf dem Import von russischem Gas aufbaut. Die Schweiz muss in den Wintermonaten Strom importieren: Wir verlassen uns dabei auf französischen Atomstrom und Kohlestrom aus Deutschland. Der Ukrainekrieg und zuvor bereits die politischen Blockaden im Verhältnis zur EU haben diese zunehmende Auslandsabhängigkeit zu einem Problem werden lassen: Kein Wunder also, dass auch in der Schweiz mit dem Bau eines Gas-Kombi-Kraftwerks begonnen wurde.

Wenn wir es ernst meinen mit der Reduktion von CO2-Emissionen und der Sicherstellung einer zuverlässigen und bezahlbaren Stromversorgung, dann müssen wir auch die Kernenergie als eine Option in Betracht ziehen. Aus diesem Grund haben wir in der Schweiz die Blackout-Initiative lanciert, die genau diese Technologieoffenheit in die Verfassung schreiben will. Das bestehende Neubauverbot für Kernkraftwerke würde damit hinfällig.

Dem Industrieland Deutschland kann man nur raten, die Debatte um die Kernenergie wieder aufzunehmen – und zwar möglichst ohne ideologische Scheuklappen.

Vanessa Meury ist Präsidentin des Energie Club Schweiz und im Komitee der Volksinitiative "Jederzeit Strom für alle (Blackout stoppen)". Der Beitrag ist anlässlich des deutschen Ausstieg aus der Kernenergie im Südkurier erschienen.

Deutschland feiert mehr CO2-Emissionen, weniger Versorgungssicherheit, höhere Strompreise und volkswirtschaftliche Schäden (Foto:pd).