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Unkritisch und ungefiltert

Die NZZ publizierte ein Interview mit Almut Kirchner von Prognos, der Firma welche unter anderem für die Energieperspektiven des Bundes verantwortlich ist. Ein Interview, das nicht unkommentiert bleiben kann.

Von Urs Näf

Almut Kirchners Aussagen im NZZ-Interview können nicht unkommentiert bleiben: «Jedes Windrad, das wir zusätzlich ins Mittelland stellen, hilft uns massgeblich.» Im Mittelland ist das Windpotenzial nachweislich gering und auf wenige Stunden beschränkt – von «massgeblich» kann nicht die Rede sein (NZZ 30. 12. 22).

Importbeschränkungen aufgrund der EU-Verordnung 2019/943 (70-Prozent-Regel): «Unsere Ergebnisse zeigen, dass kritische Situationen damit immer noch entschärft werden können.» Die Elcom ist in ihrem Bericht vom November 2021 zur dringenden Empfehlung gelangt, zeitnah inländische Reservekraftwerke mit 1000 MW Leistung aufzubauen, um diesem versorgungskritischen Problem auszuweichen.

EU-Regulierung: «Grundsätzlich aber haben sowohl die Schweiz als auch die EU ein Interesse daran, die 70-Prozent-Regel nicht umzusetzen – und auch daran, ein Stromabkommen abzuschliessen.» Wenn dem so wäre, dann müsste sich die Schweiz nicht mit mehreren Milliarden Steuerfranken und Strompreisaufschlägen gegen einseitige Beschränkungen der Stromexporte aus der EU absichern. Zu hoffen, dass die EU ihre eigene Verordnung nicht zulasten der Schweiz umsetzen wird, widerspricht allen bisher erfahrenen Nadelstichen aus Brüssel.

Neue Kapazitäten im Inland: «Infrage kommen eher kleine, flexibel einsetzbare Gaskraftwerke, die auch mit Biomethan oder Wasserstoff betrieben werden können.» Das aktuell in der Schweiz jährlich eingespeiste Biogas würde den Betrieb des Reservekraftwerks in Birr über knapp drei Wochen ermöglichen – wird aber heute bereits anderweitig verwendet. Und Wasserstoff ist nach Ansicht internationaler Experten frühestens ab 2045 in den erforderlichen Mengen verfügbar.

Frau Kirchner ist sicherlich frei, ihre Ansichten privat zu vertreten. Fraglich ist jedoch, weshalb sich die Bundesverwaltung seit nun schon zwei Jahrzehnten bei den Energieperspektiven von Expertinnen wie Frau Kirchner beraten und deren Meinungen unkritisch und ungefiltert in die Entscheidgrundlagen der Landesregierung einfliessen lässt.

Lic. rer. pol. Urs Näf ist Leiter Fachbereich Industrie der Wirtschaftlichen Landesversorgung WL. Davor war er Head of Government Affairs General Electric Switzerland. Urs Näf ist Mitglied des Expertenbeirates des Energie Club Schweiz. Der Beitrag ist zuerst als Leserbrief in der NZZ erschienen.

Die Energieperspektiven: Unkritische Entscheidungsgrundlage unserer Landesregierung.