Bonanza in den Alpen
Die Stromproduzenten und Gebirgskantone wittern Geschäfte in Milliardenhöhe. Auf Teufel komm raus sollen jetzt alpine Solaranlagen gebaut werden - zu 60 Prozent finanziert von uns allen.
Projekte für alpine Freiflächenanlagen schiessen derzeit wie Pilze aus dem Boden. Niemand will den Solarboom verpassen. Nach den Walliser Projekten in Gondo und Grengiols, hat jetzt auch die Stromproduzentin Axpo ihre Solaroffensive angekündigt. Sie will elf Anlagen realisieren. Mit von der Partie sind auch Alpiq, EWZ oder Repower. Gemeinsam ist den Produzenten, dass sie die letzten Jahre ihr Geld im Ausland investiert haben. In der Schweiz, lautete der Tenor, lohnen sich die Investitionen in neue Erneuerbare nicht.
Nun ist von einem Tag auf den anderen alles anders. Die Jagd nach Subventionen ist eröffnet. Die angeblich so kostengünstige Solarenergie, welche sich bis jetzt nicht rechnete, ist nun über Nacht lukrativ geworden. Die Stromproduzenten und Solarpromotoren schielen nicht nur auf ihr Image, sondern auch auf das Portemonnaie der Stromkonsumenten. Bis zu 60 Prozent der Investitionskosten können jetzt den Strombezügern auf das Auge gedrückt werden. Die NZZ rechnet vor: «Die Kosten für die Förderung werden beträchtlich sein, sollten die gesamten 2 Terawattstunden – gut 3 Prozent der Schweizer Stromproduktion – ausgeschöpft werden, die man fördern will. Dafür braucht es Solaranlagen mit einer Leistung von rund 1,5 Gigawatt. Solarmodule in den Alpen aufzustellen, ist aber etwa doppelt so teuer wie im Flachland, die Kosten belaufen sich auf 2500 bis 3500 Franken pro installiertem Kilowatt. Die Investitionssumme beträgt damit 3,75 bis 5,25 Milliarden. Bei einer Unterstützung von 60 Prozent kommt man auf 2,25 bis 3,15 Milliarden Franken, die die Stromkonsumenten über den Netzzuschlag zu tragen hätten.»
Das sind ganz beträchtliche Summen. Gerade auch im Hinblick auf die von Doris Leuthard dereinst verkündeten 40 Franken, welche die Energiestrategie die Schweizer Haushalte kosten sollte. Dank der Übernahme von 60 Prozent der Investitionskosten rechnen sich auch Anlagen, welche ungünstig liegen – also teilweise verschattet sind. Bei den derzeit hohen Strompreisen ist das kein Wunder.
Klar ist aber auch: Der Strom muss zu den Konsumenten im Mittelland transportiert werden. Die schönsten alpinen Anlagen nützen nichts, wenn der Strom nicht über die Gemmi kommt. Das Schweizer Stromnetz weist bereits heute strukturelle Engpässe aus. Die NZZ schreibt: «Besonders anspruchsvoll ist die Situation im Oberwallis. Eine Gruppe von Physikern der Universität Genf hat jüngst berechnet, dass das Hochspannungsnetz den Strom einer Anlage von der Grösse von Grengiols Solar derzeit gar nicht abtransportieren könnte. Zwar realisiert Swissgrid bis Ende 2023 eine neue Höchstspannungsleitung im Goms, die von Ulrichen nach Mörel führt. Für die geplanten grossen Solaranlagen im Oberwallis ist aber essenziell, dass weitere Leitungen im Wallis, wie auch ins Tessin, gebaut werden. Diese Projekte sind zwar geplant, aber gehen voraussichtlich erst 2028 in Betrieb.» Die Turboparlamentarier haben vergessen, dass unbebaute Alpen keinen Stromanschluss haben und die Aufrüstung einer Stromleitung von 220 Kilovolt auf 380 Kilovolt, welche es braucht, um die 2 TWh bis 2025 ins Mittelland zu bringen, nicht über Nacht gebaut werden können
Was ebenfalls wichtig zu wissen ist: Die geplanten Solaranlagen in den Bergen, selbst wenn alle realisiert und angeschlossen sein sollten, werden unser Versorgungsproblem im Winter nicht lösen. Denn das Winterstromproblem vergrössert sich laufend. Bei Dunkelflaute bleibt es dunkel. Ohne zusätzliche eigene Grosskraftwerke sind wir weiterhin von Importen abhängig, die ab 2025 noch mehr eingeschränkt werden sollen.