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Ohne Öl kein Strom

Die Energiestrategie 2050 kommt diesen Winter zu ihrem vorzeitigen und dreckigen Ende. Gut möglich, dass wir noch mehr fossile Kraftwerke benötigen.

Ist die Stromversorgung in der Schweiz für diesen Winter gesichert? Diese Frage stellt sich fast täglich. Jüngst gelangte man zum Eindruck, dass die Experten etwas entspannter auf den kommenden Winter blicken als auch schon: Der goldene Herbst hat dafür gesorgt, dass die gut gefüllten Gasspeicher in Europa nicht angezapft werden mussten. Für die heikle Phase im Februar, März und April 2023 ist dies eine gute Nachricht.

Doch es gibt auch gegenläufige Meldungen von der heimischen Wasserkraft. Eine Wasserkraftreserve soll mithelfen, eine Strommangellage zu verhindern: «Die Schweizer Kraftwerksbetreiber sollen zwischen 1. Dezember und 15. Mai Wasserreserven im Umfang von 500 bis 600 Gigawattstunden (GWh) Strom in ihren Speicherseen bereithalten, damit es nicht zu einem Blackout kommt, wenn Wladimir Putin im nächsten Winter den Gashahn zudreht», schreibt die Sonntagszeitung. Mit einer solchen Reserve sollten Schwierigkeiten beim Import von Strom für einige Tage oder Wochen gemildert werden können. Nun zeigt sich jedoch: Dem Bund gelang es nur, eine Wasserkraftreserve von 400 Gigawattstunden für insgesamt 296 Millionen Euro zu beschaffen, das heisst 74 Rp. kostet die Kilowattstunde. Die Axpo bot noch teureren Strom an und kam deshalb nicht zum Zug. Somit ist die Reserve 20 Prozent kleiner als geplant, wie die Sonntagszeitung vorrechnet.

Nun sollen auch Dreckschleudern sollen die Stromversorgung sicherstellen. Damit steigen die Chancen, dass die Stromproduktion der Schweiz lärmig und dreckig wird. Die Rede ist von den acht mobilen Turbinen, die zurzeit im aargauischen Birr gebaut werden. Der Bundesrat hatte vor einem Monat den Auftrag erteilt. Offiziell ist von Notkraftwerken die Rede. Weshalb man nur zur Not auf diese zurückgreifen möchte, zeigen folgende Zahlen: «Nicht weniger als 1700 Tonnen Heizöl oder 2 Millionen Kubikmeter Erdgas braucht es, um die acht Turbinen 24 Stunden zu befeuern. Konkret müsste damit für jeden Betriebstag ein Zug mit 20 Kesselwagen Heizöl in Birr vorfahren, um den Durst der Energieanlage zu stillen», rechnet die NZZ vor. Können die Turbinen mit Erdgas betrieben werden, ist dafür an einem Tag dieselbe Menge Gas nötig, wie 1000 Einfamilienhäuser in einem Jahr verbrauchen.

Die gesamte Anlage hat etwa Zweidrittel der Leistung des stillgelegten KKW Mühleberg. Doch im Gegensatz zu Mühleberg kommt es zu massiven Belastungen der Umwelt: Die Anlage emittiert pro Tag bei einem Betrieb mit Heizöl 4800 Tonnen CO2, mit Erdgas 3600 Tonnen. Zum Vergleich: Die Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt Zürich stossen pro Tag jeweils etwa 5000 Tonnen CO2 aus, wie die NZZ schreibt. Vor allem für die lokale Bevölkerung bedenklich: Stickoxidausstoss und Kohlenmonoxide übersteigen die Schweizer Grenzwerte klar – sie mussten deshalb per Verordnung heruntergesetzt werden. Jeder Tag, an dem die Notkraftwerke in Birr ans Netz gehen, ist ein schlechter Tag für den Umwelt- und Klimaschutz.

Geradezu tragisch ist das Ganze mit Blick auf die Energiestrategie des Bundes, welche das Stimmvolk 2017 angenommen hat: Zwar war im Abstimmungsbüchlein nichts mehr von Gaskraftwerken zu lesen. Zuvor war für die Experten des Bundes aber stets klar, dass bis zu sechs Gaskraftwerke Voraussetzung für den Ersatz der Kernkraftwerke sind. Seit der Abstimmung hat sich die Politik aber nicht darum gekümmert, den Bau solcher Anlagen in Angriff zu nehmen. Der Ukrainekrieg hat nun Tatsachen geschaffen – und zwar bevor die vier noch laufenden Schweizer KKW vom Netz sind. Gut möglich also, dass die acht Notturbinen in Birr erst der Anfang sind.

Jeden Tag einen Güterzug mit 20 Kesselwagen Öl: Die Energiestrategie entpuppt sich als Klimakiller (Abbildung: zvg.)