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Brandstifter ruft Feuerwehr

Roberto Schmidt, Walliser Staatsrat und Präsident der kantonalen Energiedirektoren, verlangt vom Bundesrat, dass er die Strommangellage ausruft. Willkommen in der Realsatire.

Am Anfang des Schweizer Atomausstieges stand im Januar 2011 eine Diskussion der CVP-Fraktion über die Zukunft der Atomenergie, denn Doris Leuthard hatte drei Gesuche für neue Kernkraftwerke von Alpiq, Axpo und BKW auf dem Tisch. Drei Tage nach dem Unglück in Fukushima sistierte sie diese Gesuche und bestellte bei Nationalrat Roberto Schmidt die Motion «Schrittweiser Ausstieg aus der Atomenergie». Gemeinsam mit den beiden sozialdemokratischen Energiepolitikern Eric Nussbaumer und Roger Nordmann formulierte er den Text. Für die beiden SP-Exponenten war es sonnenklar, dass die Einreichung durch einen CVP-Exponenten die Chancen für den Ausstieg und den gleichzeitigen Einstieg in die nun gescheiterte Energiestrategie massiv verhöhte. Roberto Schmidt sah ebenfalls eine Chance: Nämlich seine darbende CVP für die nächsten Wahlen neu zu positionieren und reichte die Motion bereits am 14. April 2011 ein. Damit nahm das Unheil seinen Lauf.

Der Stromverbrauch sank allerdings nicht wie prognostiziert, sondern stieg an. Geothermie, das angebliche Bandstrom-Wunder, löste nur gerade Erdbeben aus und produzierte keine einzige Kilowattstunde. Der verkündete Ausbau der Wasserkraft blieb Makulatur. Die Gaskraftwerke, ursprünglich Teil der Energiestrategie, durften vor der Abstimmung 2017 weder thematisiert noch diskutiert werden. Es wurden keine Gaskraftwerke geplant – geschweige denn gebaut. Zudem wurde Ende 2019 das Kernkraft Mühleberg ausser Betrieb genommen. Zusätzlich hat der Bundesrat beschlossen, schneller und konsequenter zu dekarbonisieren. Netto Null bis 2050 heisst das Ziel.

Erst mit dem neuen Präsidenten fing die Eidgenössische Elektrizitätskommission (ElCom) an zu warnen. 2021 erstellte sie ein Konzept zur Erstellung von Spitzenlast-Gaskraftwerken mit 1000 Megawatt (MW) Leistung – gleichviel wie das Kernkraftwerk Gösgen.

Nun, wo die Schweiz vor einem schwierigen Winter steht, betritt Roberto Schmidt wieder die nationale Polit-Bühne als Präsident der kantonalen Energiedirektoren und verlangt vom Bundesrat umgehend die Ausrufung der Strommangellage. Im Tagesanzeiger lässt er sich so zitieren: «Nur wenn der Bundesrat die Mangellage ausruft, kann er vorsorglich relativ schmerzfreie Sparmassnahmen verfügen. Man könnte etwa alle Schaufenster-Beleuchtungen per sofort abschalten. Ohne Ausrufung der Mangellage haben weder die Kantone noch der Bund die Kompetenz dazu».

Einsicht bezüglich der gescheiterten Energiestrategie sucht man im Interview vergeblich. Noch immer wird nicht zur Kenntnis genommen, dass wetterabhängige neue Erneuerbare ohne fossile Backup-Kapazitäten keine Versorgungssicherheit bieten. So sagt Roberto Schmidt: «Aber ich glaube, dass jetzt auch die Skeptiker erkennen: Die Schweiz hat das Potenzial, sich selbst mit Energie zu versorgen – mit Wasserkraft, Fotovoltaik, Biomasse, Windkraft. Diese Erkenntnis ist vielleicht das einzig Positive am Ukraine-Krieg». Wer mehr von Physik als Politik versteht, weiss, dass das Gegenteil der Fall ist. Der Ukraine-Krieg zeigt nämlich insbesondere, dass wer auf neue Erneuerbare setzt, nicht auf Gas verzichten kann – Deutschland lässt grüssen!

Nach elf Jahren meldet sich Roberto Schmidt, der Geburtshelfer der Energiestrategie 2050, wieder auf der nationalen Bühne. Er verlangt vom Bundesrat, dass er die Strommangellage ausruft (Foto:zvg).