Notrecht soll Umwelt- und Lärmschutz aushebeln
Während die normalen Schweizer ihre fossilen Heizungen ersetzen müssen, verstromt der Bund in Zukunft Öl. Dafür hebelt der Bund Umweltrecht aus.
Seit geraumer Zeit warnen in der Schweiz Stimmen, dass wir direkt auf eine Strommangellage zu steuern. So hat auch der Energie Club Schweiz in den letzten Jahren immer wieder auf die sich anbahnende Notlage aufmerksam gemacht.
Inzwischen hat auch der Bundesrat gemerkt, wie brenzlig die Situation tatsächlich ist. Nachdem Bundesrätin Simonetta Sommaruga gemeinsam mit der Eidgenössischen Elektrizitätskommission (ElCom) am 17. Februar – noch vor Ausbruch des Ukrainekriegs – den Bau von Gaskraftwerken als Reservekapazität verkündet hat, ist die Landesregierung nun plötzlich mit grosser Hektik unterwegs. Der Grund ist einfach: Die Schweiz hat keine Gasspeicher und kann deshalb Gaskraftwerke gar nicht sicher betreiben. Es fehlt schlicht die Infrastruktur. Auch das hat der Energie Club Schweiz bereits verschiedentlich thematisiert.
Der Ausweg besteht nun im Mieten von mobilen Ölturbinen. Solche «Reservekraftwerke» sollen im aargauischen Birr auf dem Firmengelände von GE Gas Power im Freien erstellt werden. Das während rund vier Jahren laufende Reservekraftwerk besteht aus acht mobilen Ölturbinen mit einer Gesamtleistung von 250 Megawatt und soll im Februar 2023 einsatzbereit sein. Zum Vergleich: Das Kernkraft Mühleberg lieferte mit 373 Megawatt praktisch CO2-freien Strom.
Das Reservekraftwerk ist eine CO2-Schleuder und verträgt sich schlecht mit den klimapolitischen Zielen des Bundesrates und der schweizerischen Umwelt- und Lärm-Gesetzgebung. In einer Medienmitteilung des Bundesrates heisst es: «Für den Betrieb braucht es Anpassungen der Lärmschutz- und Luftreinhalteverordnungen sowie eine Verordnung für den Abruf der Reserve». Übersetzt heisst das: Es werden sämtliche Bestimmungen bezüglich Umwelt, Lärm und Emissionen ausgehebelt. Wichtig zu wissen ist, dass die geplanten Turbinen eine grosse Ähnlichkeit mit Flugzeug-Triebwerken haben. Das heisst: sie russen, sie stossen Abgase aus und sind sehr laut. Das ist auch der Grund, warum die Luftreinhalte- und Lärmschutzverordnungen angepasst werden müssen.
Aber nicht nur für den Betrieb des Reservekraftwerkes muss mit Notrecht gehandelt werden. Auch die Erstellung verlangt die Aussetzung aller ordentlichen Bewilligungsverfahren. Dazu heisst es in der Medienmitteilung: «Die ordentlichen Bewilligungsverfahren werden gestützt auf das Landesversorgungsgesetz durch ein spezielles bundesrechtliches Bewilligungsverfahren abgelöst. Der Bundesrat hat damit beschlossen, dass das UVEK den Bau des Kraftwerks mittels einer Verfügung bewilligen kann».
Zu denken geben müsste, dass die Politik gleichzeitig von ihren Bürgerinnen und Bürgern verlangt, ihre Gasheizungen durch Wärmepumpen zu ersetzen – die dann Strom aus Öl benötigen. Welcher Widerspruch!