Kubanische Verhältnisse in der Schweiz?
Nach Jahren der Untätigkeit wird die Schweiz mit der Realität konfrontiert. Energie wird knapp. Es fehlt Gas und es droht Strommangel. Nun macht sich der Bund auf, den selbstverschuldeten Mangel zu verwalten.
Es hätte beruhigend wirken sollen. Doch diese Wirkung stellte sich wohl bei den wenigsten Zuhörern ein, die der Medienkonferenz des Bundes zum Thema Gas- und Strommangel lauschten: «Der Bund und die Branche arbeiten seit einigen Monaten daran, Lösungen für die Versorgungssicherheit für den kommenden Winter zu finden», hiess es an der Medienorientierung in Bern.
Angesichts dessen, dass Energie- und im speziellen die Stromversorgung ein äusserst langfristiges Unterfangen ist, Anlagen Jahre bis Jahrzehnte brauchen, bis sie ans Netz kommen, ist es doch erstaunlich, wie sehr die Schweizer Behörden auf kurze Sicht zu fahren scheinen. Dass man nun «seit einigen Monaten daran» sei, ein gewaltiges strukturelles Problem lösen zu wollen, beruhigt gar nicht. Denn sehen wir es realistisch: Diese Arbeiten hätten schon viel früher geschehen müssen. Doch dazu fehlte der externe Schockmoment und letztlich der politische Wille.
Absehbar, dass wir in eine Mangellage gelangen werden, war es schon lange. Eigentlich bereits seit 2017, seit der Abstimmung zur Energiestrategie. Nun kommt es schneller als gedacht. Schon im Vorfeld der Abstimmung sagten die offiziellen Dokumente, dass es Gaskraftwerke brauchen werde, um nicht in eine Winterstromlücke zu geraten. Geschehen ist bis heute jedoch nichts. Und ehrlich gesagt ist auch nicht klar, ob solche Kraftwerke jetzt helfen würden. Denn einen Gasspeicher hat die Schweiz bis heute nicht. Und solche, mit einem politisch definierten Sollbestand braucht es, sonst laufen Gaskraftwerke im Notfall nicht.
Könnte der Winter 2022/23 als jener Winter in die Geschichtsbücher eingehen, in der die reiche Schweiz die Mangelwirtschaft kennenlernte? Das Risiko einer Strommangellage sei real und gross, so der Tenor an der besagten Medienkonferenz. Schliesslich hängt es an Putin und am Niederschlag: Die Schweizer Speicherseen seien zurzeit zwar durchschnittlich gefüllt, doch wenn Putin bereits Ende Herbst Ernst macht und vor allem Deutschland vom Gas abschneidet, könnten die Wasserreserven schneller aufgebraucht sein, als uns lieb ist.
Dann würden gegen Ende des Winters wohl zwangsläufig temporäre Netzabschaltungen Realität werden. Rotierend würden in definierten Gebieten für vier bis acht Stunden der Strom abgestellt: Verhältnisse wie in Kuba! Selbstverständlich würden solche Notstandsregime mit der gebotenen Schweizer Gründlichkeit verwaltet, so die beruhigenden Worte an der Medienkonferenz.
Erinnern Sie sich noch an die Anfangsjahre des vergangenen Jahrzehnts? Wie rosig schien die da die Zukunft: Experten sagten, der Stromverbrauch werde zurückgehen, Solar und Wind würden es richten: Paradiesische Zustände zwischen Genf und Romanshorn. Wie schnell sich Gewissheiten ändern können.