Sagen, was ist
Neue Stimmen und eine Studie der ETH Zürich zeigen klar auf, dass die Energiestrategie scheitern wird. Dass an der ETH endlich wieder gerechnet wird, stört den Gottesdienst der Solargläubigen mit Fakten. Und zwar erheblich.
Es ist wohl die aktuellste Studie zur Schweizer Energielandschaft der Zukunft. Und so viel vorweg: Es sieht nicht gut aus. Die beiden ETH-Forscher Didier Sornette und Euan Mearns haben untersucht, wie sich die Energiestrategie, die das Volk 2017 angenommen hat, auf die Versorgungssicherheit der Schweiz im Jahre 2050 auswirken wird. «In ihren Berechnungen kommen die Forscher zum Schluss, dass der Schweiz im Januar 2050 ein enormes Stromdefizit bevorsteht», fasst die NZZ die Resultate zusammen. Nicht weniger als 69 Prozent des Stroms müsste man im Januar importieren. Das wären 6 Terrawattstunden in einem einzigen Monat. In den letzten Jahren importiert die Schweiz über das gesamte Winterhalbjahr 4 Terrawattstunden. «2050 wäre es also allein im Januar das Anderthalbfache», so die NZZ weiter.
Angesichts solcher Aussichten ist es nicht weiter verwunderlich, dass die Autoren die hiesige Energiepolitik kritisieren. Der Übergang vom heutigen Energiesystem zu einem, das zu einem guten Teil auf Schweizer Solarstrom beruht, werde von den Behörden zu optimistisch dargestellt. Dies schaffe eine gefährliche Illusion von Sicherheit und Kontrolle.
Nur 4 Prozent der Nachfrage gedeckt
Energieministerin Sommaruga sagt es immer wieder: Wir müssen jetzt nur vorwärtsmachen beim Ausbau von Solarstrom und Wind, dann werden wir auch in Zukunft genügend Strom haben. Vor allem die grossen Solarfarmen in den Alpen sind in dieser Erzählung regelrechte Heilsversprechen für die Wintermonate.
Gemäss Sornette und Mearns wird dies aber nicht reichen. Für ihre Berechnungen nahmen sie Daten zur Strom-Produktion und zum Strom-Verbrauch aus dem Jahre 2017. Darauf basierend zeigen sie, dass – auch wenn die Ausbauziele für Solar bis 2050 erreicht werden – in einem vergleichbaren Januar wie 2017 mit den Solarzellen lediglich 4 Prozent der Nachfrage gedeckt werden können. Also praktisch nichts. «Jetzt könnte man einwenden, dass der Januar 2017 ein ausgesprochen schlechter Monat für Solarstrom war», schreibt die NZZ und daher nicht wirklich repräsentativ sei. Doch genau darum gehe es ja, entgegnen die Autoren: Man lebe nie in einem Durchschnittsmonat, sondern zuweilen eben auch in einem besonders schlechten, wie es der Januar 2017 war. «Genau für solche Monate müsse eine Stromversorgung gerüstet sein, nicht für den Durchschnitt», so Sornette weiter.
Die Möglichkeit von Stromspeichern, die Sommerstrom in den Winter hinüberretten, verwerfen die Autoren als viel zu teuer. Wir werden nicht darum herumkommen, dafür zu sorgen, dass auch im Winter genügend Strom in der Schweiz produziert wird.
Vorwärts in die Vergangenheit
Die Energiestrategie 2050, wie sie noch heute verfolgt werde, sei technisch und wirtschaftlich nicht umsetzbar, so das Verdikt. Es werde nicht ohne Kernkraftwerke gehen, sind die Forscher überzeugt. «Für den Risikoforscher Sornette besteht der optimale Strommix für die Schweiz deshalb aus Kernkraft zusammen mit der einheimischen Wasserkraft und einer Expansion von Solarenergie, besonders in den Alpen», fasst die NZZ zusammen.
Ganz ähnlich tönte es zuvor schon im «20 Minuten»: Auch für die ETH-Nuklearingenieurin Annalisa Manera kann der Ausbau der Solarkraft allein keine Lösung sein: So produziere beispielsweise das Projekt Gondosolar knapp 25 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr. Die von Alpiq in den Walliser Alpen geplante Solarfarm ist eines der Prestigeprojekte der Solarszene. «Wenn wir das AKW Leibstadt ersetzen wollen, brauchen wir 450 solcher Anlagen. Eine einzige dieser Anlagen ist aber 100’000 Quadratmeter gross», rechnet Manera vor und hängt auch gleich noch ein Preisschild an: «Die 450 Projekte würden 20 Milliarden Franken kosten». Da hat sie Recht, und man könnte anfügen: «Ohne Montage und Netzanschluss».
Deshalb ist für ETH-Professorin Manera klar: Die Schweiz sollte neue Kernkraftwerke bauen! Die Losung heisst also vorwärts in die Vergangenheit: Die Schweiz hatte Jahrzehnte lang das perfekte System: Kern- und Wasserkraft versorgten uns sicher mit CO2-armem Bandstrom, auch im Winter. Dorthin müssen wir zurückkehren.