Energiewende – RIP
Am Morgen des 28. Juni 2022 muss man in Zürich Aussersihl ein leichtes Erdbeben registriert haben – Bundesrat Willy Spühler hat sich im Grab umgedreht.
Vor 60 Jahren, 1962 hatte er im Nationalrat auf die Vorzüge der neuartigen Energiequelle, der Kernenergie aufmerksam gemacht. Zwei Jahre später, am 9. Juni 1964, hat er die Elektrizitätsbranche eindringlich ermahnt, für den zur Sicherstellung der Stromversorgung nötig werdenden Ausbau der Produktion direkt in das Zeitalter der modernen und sauberen Kernenergie vorzustossen, ohne Umweg über Ölkraftwerke.
Die Branche gehorchte, mehr zähneknirschend als begeistert; schliesslich gab es kaum Erfahrungen mit der neuen Technik. Aber die Naturschützer jubelten. Endlich keine überschwemmten Alpentäler mehr und rauchende Ölkraftwerke würde es nicht geben. Schon fünf Jahre nach Spühlers Philippika vor dem VSE hat das KKW Beznau 1 den Betrieb 1969 aufgenommen. Seit jener Zeit sind Jahrzehnte gekommen und gegangen. Zwei Generationen haben den Fortschritt der Zivilisation weitergetrieben. Wir wissen mehr, verstehen mehr. Wir haben auf Knopfdruck Zugang zu allem Wissen dieser Welt. Es kann nichts mehr schief gehen. Schon gar nicht in der Schweiz, wo das Volk die Regierung kontrolliert. Es sind inzwischen drei Millionen Menschen mehr.
Ist darum auch das, was am 28. Juni 2022 zutage trat, tatsächlich der Weisheit letzter Schluss? Die Schweiz baut Ölkraftwerke. Der Nebelspalter hat es herausgefunden und das Bundesamt für Energie musste die Pläne bestätigen.
Es ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Es ist der vorläufige Höhepunkt einer langen Reihe von Torheiten. Es begann mit dem Entscheid des Bundesrats unter der Führung von Doris Leuthard, die seit 2008 vorliegenden Gesuche für den Bau von 3 neuen Kernkraftwerke nicht zu behandeln und statt dessen sogar die Stilllegung der bestehenden Kraftwerke einzuleiten. Es ging weiter mit der Beratung der «Energiestrategie 2050» im Parlament, wo Eigeninteressen und Machtspiele der Parlamentarier vor dem Gesamtwohl standen. Schliesslich mit der Abstimmungskampagne 2017, in der der Bundesrat den Stimmbürgern Information vorenthalten, falsche Hoffnungen gemacht und realitätsfremde und wissenschaftlich unhaltbare Szenarien vorgelegt hat.
Die Kontrolle der Bürger über die Regierung musste versagen, wenn ETH Professoren sagten – was BR Leuthard mantramässig wiederholte – dass die Energiestrategie machbar sei. Sie drang mit ihrer von der Realität abgekoppelten «Strategie» durch.
Fünf Jahre später meldet sich die Wirklichkeit zurück: Wir werden mehr Strom brauchen, nicht weniger. Die Sonne scheint im Winter nur halb so lang wie im Sommer und der Wind weht in der Schweiz selten. Stromimporte gibt es nur, solange jemand Strom exportieren kann. Das alles hätte man schon 2017 wissen können, aber ElCom-Präsident Carlo Schmid wollte seiner «Chefin» nicht widersprechen.
So kommt es jetzt, wie es kommen musste. Die Einsicht ist unausweichlich: Mit der «Energiestrategie 2050» haben wir genau den Weg eingeschlagen, den man fast 60 Jahre früher in weiser Voraussicht vermieden hat: Man sieht sich gezwungen, Ölkraftwerke zu bauen. Zunächst sollen sie «nur» drei Monate laufen und täglich 6000 Tonnen Öl verbrennen; später werden es 6 Monate sein und bald das ganze Jahr. Schliesslich werden wir mehr davon brauchen – und das beim erklärten Ziel, bis 2050 netto Null CO2 zu emittieren!
Die Energiestrategie 2050 ist endgültig gescheitert. Sie droht zur Ölstrategie zu werden. Wir brauchen, wie 1964, dringend neue Kernkraftwerke. Deren Verbot gehört aufgehoben. Die Volksinitiative des ECS «Jederzeit genügend Strom für alle – Blackout stoppen!» kommt keinen Moment zu früh.