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Gaskraftwerke bieten nicht die erforderliche Versorgungssicherheit

Erdgas für die Stromerzeugung ist weder aus Sicht des Klimaschutzes noch der Versorgungssicherheit sinnvoll. Stattdessen muss in dauerhaft zur Verfügung stehende Stromerzeugung investiert werden.

Es ist noch nicht lange her, dass die Bundespolitik verkündigte, die künftige Stromversorgung sei gesichert. Man könne ja immer ausreichend Strom importieren. Es brauchte einen erneuten Warnruf der Eidgenössischen Elektrizitätskommission (Elcom), bis die Dringlichkeit von Massnahmen erkannt wurde.

Nun soll es schnell gehen. Erstens will der Bundesrat schon für den Winter 2022/23 eine Energiereserve für kritische Versorgungssituationen einrichten, und zwar wegen der Dringlichkeit auf dem Verordnungsweg. Zweitens werden drei Spitzenlast-Gaskraftwerke mit einer Leistung von insgesamt 1000 MW vorgesehen, die höchstens kurze Zeit laufen und klimaneutral betrieben werden sollen. Was ist davon zu halten?

Das Winterhalbjahr ist entscheidend

Für die Stromversorgungssicherheit ist bekanntlich das Winterhalbjahr entscheidend. Die Auslandabhängigkeit nimmt zu; in den Wintermonaten 2021 mussten 5,8 TWh oder 16,7 Prozent des Landesverbrauchs importiert werden, im Winter 2021/22 betrug der Importüberschuss gar 7,8 TWh. Es fehlt zunehmend an Energie, Leistung ist dank den Wasserkraftwerken genügend vorhanden. Deshalb ergeben die Gaskraftwerke nur Sinn, wenn sie faktisch Winter-Bandstrom produzieren. Damit würde jedoch der CO2-Ausstoss deutlich zunehmen, und die fossilfreie schweizerische Stromerzeugung wäre für lange Zeit Geschichte.

Die spezifischen CO2-Emissionen von Strom aus Erdgas sind bis um zwei Grössenordnungen höher als bei Wasserkraft, Kernenergie oder den neuen erneuerbaren Energien. Schon aus Sicht des Klimaschutzes sind also Gaskraftwerke fragwürdig, es gibt aber noch andere kritische Punkte.

Da ist die Frage, wo die Grossanlagen – es geht ja nicht um Notstromaggregate – erstellt werden sollen. Es braucht ausreichende Gas- und Stromnetzanschlüsse und Kühlkapazität. An den potenziellen Standorten sind, wie bei früheren Projekten, politische Widerstände zu erwarten. Diese werden sich auf die Bewilligungsverfahren auswirken, umso mehr, als es noch keine Bewilligungspraxis für Gaskraftwerke gibt; vermutlich werden auch Gesetzesänderungen nötig.

Es ist deshalb kaum möglich, dass die Anlagen bis zu den von der Elcom ab 2025 befürchteten möglichen Verknappungen zur Verfügung stehen. Realistischer wäre, mit einer allfälligen Betriebsaufnahme gegen Ende des Jahrzehnts zu rechnen. Einzig die bestehenden Versuchs-Gasturbinen in Birr könnten früher zur Verfügung stehen.

Die finanziellen Aspekte des Baus und Betriebs der Gasturbinen müssten geklärt werden. Die Kosten liessen sich nicht am Markt decken, finanzielle Anreize, Quotenvorgaben und Defizitgarantien wären unumgänglich.

Wenn die Gaskraftwerke klimaneutral betrieben werden sollen, sind CO2-freie Brennstoffe nötig. Solche sind heute nur Biogas in bescheidenen Mengen, das in der Schweiz lokal für die Wärme- und Stromerzeugung eingesetzt wird. Woher das nötige Biogas importiert werden könnte, ist ein Rätsel. Die Gaskraftwerke müssten mit Erdgas (oder allenfalls Erdöl) befeuert werden, dafür dem Emissionshandelssystem beitreten und für den CO2-Ausstoss bezahlen. Dies ändert aber nichts daran, dass Strom fossil statt erneuerbar oder nuklear hergestellt würde.

Gaskraftwerke dienen der Versorgungssicherheit nur, wenn die Gaszufuhr jederzeit gewährleistet ist oder die erforderlichen inländischen Gaslager vorhanden sind. Beides ist heute nicht der Fall und wird es bekanntlich auch künftig kaum sein. Mit Erdgas befeuerte Kraftwerke wären weder aus Sicht des Klimaschutzes noch der Versorgungssicherheit sinnvoll. Stattdessen muss in dauerhaft zur Verfügung stehende Stromerzeugung investiert und dabei Stromknappheit mit ihren immensen wirtschaftlichen und sozialen Kosten unbedingt verhindert werden.

Gesamtes Stromsystem muss umgebaut werden

Was also? Das einzige, aber wichtige Element für die kurzfristige Stützung der Stromversorgung ist die erwähnte Energiereserve, bei der Speicherenergie vorwiegend aus Wasserkraftwerken vertraglich für Knappheitssituationen vorgehalten werden soll. Im Zentrum muss jedoch der rasche Aus- und Umbau des gesamten Stromsystems stehen, nicht nur der Stromerzeugung.

Nötig sind neue Kurzzeit- und Saisonspeicher, die Netze müssen aus- und umgebaut werden, und es braucht Vorkehren zur Beherrschung der immer grösseren temporären Überschüsse. Auch werden künstliche Brenn- und Treibstoffe nötig. Von diesen langfristigen Notwendigkeiten und ihren Lösungen ist, mit Ausnahme eines Ausbaus der Speicherwasserkraft um 2 TWh bis 2040, in den heutigen bundesrätlichen Vorschlägen nichts zu finden. Ferner fehlt weiterhin ein Stromabkommen als wesentliches Glied einer sicheren Energieversorgung sowohl in normalen als auch in Krisenzeiten.

Da der Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung und der Speicherkapazitäten absehbar auch künftig zu langsam erfolgen wird, sollte dringend die Kernenergie wieder ein anerkannter Teil der Stromerzeugung werden. Sie produziert Bandenergie mit hohem Winteranteil und geringem spezifischem Treibhausgasausstoss. Wenn für die Politik Versorgungssicherheit und Klimaschutz nicht bloss verbal prioritär sein sollen und die Rahmenbedingungen angepasst werden, erfordert die Realisierung eines neuen Kernkraftwerks nicht mehr Zeit als der Zubau an erneuerbarer Stromerzeugung mit gleicher Jahres-Energieproduktion oder gar mit der entsprechenden Wintererzeugung.

Der Beitrag ist in der Neuen Zürcher Zeitung erschienen. Der Autor Eduard Kiener ist ehemaliger Direktor des Bundesamtes für Energie und Mitglied im Expertenbeitrat des Energie Club Schweiz.

Gaskraftwerke nützen weder der Versorgungssicherheit noch dem Klimaschutz.