Energiestrategie ohne Strategie
Bundesrätin Simonetta Sommaruga kommt nun auch von ganz linker Seite unter Druck. Allerdings sind die Kritiker mitschuldig an der verfahrenen Situation in der Energiepolitik.
Welcher Beobachter würde es bestreiten: Das Projekt, das sich von Anfang an grossspurig Energiestrategie nannte und damit so etwas wie einen grossen Wurf versprach, ist zu einer Anhäufung von gescheiterten Massnahmen verkommen. Kein Wunder kommt die grüne Nationalrätin in einem Tagesanzeiger-Interview zum Schluss, dass im Handeln von Bundesrätin Simonette Sommaruga «eine Gesamtstrategie» fehle. O-Ton Trede: «Sommaruga verzettelt sich – und mit ihr der Bundesrat. Sie fokussiert sich auf einzelne Problembereiche statt auf das grosse Ganze.»
Schon Hegel wusste es: Das Wahre ist das Ganze und so setzt auch Trede zur Tour d’Horizon an: «Zuerst setzen wir die Projekte ohne Konfliktpotenzial um, etwa Solarpanels entlang von Autobahnen, auf Parkplatzbedachungen, auf öffentlichen Infrastrukturen. Sofort umsetzbar sind zudem die Erhöhung der Wasserreservespeicher und die schnelleren Verfahren.» Doch bereits hier scheint die «Gesamtstrategie» ins Wanken zu kommen. Ironischerweise sind es ja gerade links-grüne Umwelt- und Naturschutzkreise, welche den schnelleren Verfahren für Wasserkraft-Neubauprojekte eher kritisch gegenüberstehen. Hier ist das letzte Wort noch lange nicht gesprochen, «sofort umsetzbar» ist reines Wunschdenken.
Die «heikleren Punkte» der aktuellen Energiepolitik – welche diese sind, bleibt eigentlich unklar – sollen in die Vernehmlassung kommen und auf diese Weise weitergetrieben werden, so Trede weiter. Auch die nachfolgenden Ausführungen vermitteln nicht das Gefühl, dass hier wirklich eine Gesamtstrategie umrissen wird, sondern schlicht Wege aufgezeigt werden, wie man das bestehende Schlamassel anders strukturieren könnte als dies Sommaruga versucht. Fraglich also, ob eine grüne Bundesrätin Trede mehr zustande brächte als die momentane Energieministerin.
Fairerweise muss man aber sagen, dass Trede im Grunde genommen Recht hat, wenn sie das Fehlen einer Gesamtstrategie bemängelt. Denn hier hapert es tatsächlich. Die Energiestrategie war von Anfang an Flickwerk, das der Bevölkerung unter dem Deckmantel «Strategie» verkauft wurde.
Im Gegensatz zur grünen Nationalrätin, die in ihren engen ideologischen Grenzen verhaftet bleibt, würde eine Strategie, welche diesen Namen auch verdient, umfassender denken, aktuelle Verschiebungen im Energiebereich genauso berücksichtigen, wie geänderte Stimmungslagen in der Bevölkerung.
Vor allem müsste man die grundlegende Ausrichtung einer zukunftsträchtigen Energiepolitik nochmals an den Anfang stellen: Wir wollen eine sichere, CO2-neutrale und möglichst günstige Stromversorgung. Diese erreichen wir nicht, indem wir einseitig auf Photovoltaik, Windenergie und Verzicht setzen, sondern realistisch anerkennen, dass der Stromverbrauch wegen der Dekarbonisierung massiv zunehmen wird und uns bald inländischer Bandstrom sowie Importmöglichketen fehlen werden. Auf dieser Basis ist die neue Gesamtstrategie zu entwickeln. Alles andere bleibt Flickwerk. Es ist höchste Zeit, eine breite Energie- und Klima-Diskussion ohne Scheuklappen und Technologieverbote endlich anzustossen und die Weichen neu zu stellen. Die Zeit drängt!