Gas-Mangel
Die Schweiz bereitet sich auf ausbleibendes Gas aus Russland vor. Dies ist richtig. Leider sind die Aussichten trotzdem nicht gut. Nicht nur, was die Gasversorgung anbelangt.
Der Blick auf den nächsten Winter dürfte so manchem Beobachter Sorgen bereiten. Schliesslich ist die Frage, wie die Gaszufuhr in unser Land sichergestellt werden kann, noch alles andere als beantwortet. Der Ukrainekrieg dürfte so schnell nicht enden. Die Gaslieferungen aus Russland sind politisch weiter unter Druck. Gut möglich, dass Europa bis in ein paar Monaten die Sanktionen gegen Russland auch auf Gas ausdehnt. Die Schweiz wäre mit betroffen, sollte aus dem Osten kein Erdgas mehr durch die Pipelines strömen. Es erstaunt angesichts solcher Aussichten nicht, dass sich nun auch der Bund um die Versorgungssicherheit sorgt. Schliesslich machte Gas 2020 rund 15 Prozent des Energie-Endverbrauches aus.
Dies ist der Hintergrund der jüngsten Massnahme: Der Verband der Schweizerischen Gasindustrie (VSG) baut im Auftrag des Bundesrates eine besonderen Krisenorganisation auf. Ziel ist, die kurzfristige Versorgung sicherzustellen. Dafür wird ein Monitoring erstellt. Ein solches sei notwendig, «um eine drohende Gasmangellage rechtzeitig zu erkennen und wirksam darauf zu reagieren», wie die Medienmitteilung des Verbandes der Schweizerischen Gasindustrie schreibt. Noch ist offen, wer hierfür verantwortlich ist. Doch ist klar, dass es drängt.
Klar ist auch, dass eine strategischere, koordinierte Bewirtschaftung der Gasimporte in solchen Zeiten nicht schaden kann. Heute sei die Versorgungssicherheit in der Schweiz gesichert, versichert der VSG. Ein gänzlicher Ausfall der russischen Gaslieferung wäre in Europa aber nicht vollständig kompensierbar, jedenfalls nicht kurzfristig und ohne Verbrauchsreduktionen. Aus diesem Grunde wurden vom Bundesrat bereits Massnahmen beschlossen. So können die Gasunternehmen künftig gemeinsam Gas, Gasspeicherkapazitäten, Flüssiggas (LNG) und LNG-Terminalkapazitäten beschaffen, ohne kartellrechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. Dies hilft, am internationalen Markt besser bestehen zu können. Es garantiert jedoch bei weitem nicht, dass die Schweiz ihren Gasbedarf auch in Zukunft decken kann. Kontingentierung oder gar Abschaltungen von Industriebetrieben liegen im Bereich des Möglichen, sollte das russische Gas versiegen. Das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung ist daran, das Bewirtschaftungskonzept für den Fall einer Kontingentierung zu aktualisieren.
Es entbehrt angesichts all dessen nicht einer gewissen Ironie, dass Bundesrätin Simonetta Sommaruga zur Rettung der Energiestrategie unlängst Gaskraftwerke ins Spiel gebracht hatte. Die drohende Stromlücke sollte mit Hilfe von solchen Werken gestopft werden. Nun hat sich zum Strommangel leider das Schreckgespenst Gasmangel gesellt. Es fragt sich, wie die Schweiz ihren Energiebedarf dereinst decken soll. Der aktuelle Pfad scheint immer mehr in eine Sackgasse zu münden. Es braucht jetzt eine breite Diskussion über die Zukunft der Energie- und insbesondere der Stromversorgung in der Schweiz.