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Es braucht ein Umdenken

Stell dir vor, es droht eine Strommangellage und eine Klimakrise und nicht einmal dem ETH-Klimaprofessor kommt die Kernenergie als mögliche Lösung über die Lippen.

Anthony Patt ist ordentlicher Professor am Departement Umweltsystemwissenschaften der ETH Zürich. Ziel seiner Forschung sei es, «erfolgreiche politische Ansätze zur Beseitigung gesellschaftlich bedingter Treibhausgasemissionen zu identifizieren», wie der Tagesanzeiger als Zusatz zu einem Interview mit Patt schreibt. Das Interview dreht sich wenig überraschend um die Frage, wie die Schweiz in Zukunft ihre Energie- und Stromversorgung organisieren soll – und dies möglichst CO2-neutral, versteht sich.

Für Patt ist klar: Energieautarkie sei bei diesem Unterfangen keine gute Idee, da eine solche die Klimaziele der Schweiz gefährden würde. Die Schweiz würde anfälliger auf extreme Wetterereignisse, man würde auch den ökologischen Fussabdruck vergrössern: «Denn wir bräuchten dafür nicht nur die dreifache Solarfläche und grosse neue Staudämme in den Bergen, sondern auch grosse Mengen an saisonalen Speichern, um im Sommer gewonnenen Solarstrom für den Winter bereitzustellen. Aber Energiespeicher sind sehr teuer und bringen im Laufe des Jahres erst noch grosse Energieverluste mit sich», rechnet Patt vor.

Wer würde Patt da widersprechen wollen. Die Solar- und Windoffensive in der Schweiz ist zum Scheitern verurteilt. Professor Patt begreift dies jedoch lieber als Herausforderung denn als Absage an die Erneuerbaren. Man müsse halt eine «funktionsfähige Beziehung zur EU» wiederherstellen, damit der Ausbau der erneuerbaren Energien partnerschaftlich vorangetrieben werden könne. «Es ist einfach eine Tatsache, dass eine geografisch ausbalancierte Expansion von Photovoltaik und Windenergie zusammen mit einer intelligenten Nutzung der Wasserkraft es ganz Europa am zuverlässigsten, am günstigsten und am umweltfreundlichsten erlaubt, den Stromsektor zu dekarbonisieren.» Es ist halt auch eine Tatsache, dass unser Stromsektor danke Wasserkraft und Kernenergie schon immer dekarbonisiert war und eine Importstrategie in der Realität krachend gescheitert ist. Es ist in ganz Europa gleichzeitig Winter und bei einer stabilen Hochdrucklage weht europaweit kein Wind.

Nach den Krisen der letzten Jahre ist es nur schwer vorstellbar, dass eine totale Integration in einen europäischen Strommarkt, der selbst stark von russischem Gas abhängig ist, die beste Lösung sein soll, wenn es um die eigene Versorgungssicherheit geht. Nationale Alleingänge und Vorzugsbehandlungen in der Corona-Krise haben es gezeigt: Es kann nicht schaden, gewisse Ressourcen innerhalb der eigenen Grenzen zu produzieren. Und so kommen wir automatisch auf die Idee, welche dem ETH-Professor im gesamten Interview nicht über die Lippen kam: Kernenergie. Sicher, CO2-arm und vor allem zuverlässige Grundlast – neue Kernkraftwerke würden uns nicht nur weniger abhängig von europäischem Strom machen, sie würden auch dafür sorgen, dass wir die Energieversorgung unseres Landes CO2-neutral gestalten können. Doch dafür braucht es ein Umdenken in der Politik – und wie es scheint auch in den Köpfen einiger ETH-Professoren.

Obschon das Offensichtliche so nahe liegt, wird die Kernenergie konsequent ausgeklammert.