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Bitte überdenken!

Die Schweizerische Energiestiftung SES hat in der Neuen Zürcher Zeitung einen offenen Brief publiziert. Eine Replik.

«Liebe SVP, liebe FDP, liebe Economiesuisse, liebe Energiewende-Zweifler:innen, to whom it may concern …», mit dieser Anrede beginnt der offenen Brief der atomkritischen Energiestiftung, der am Samstag, 2. April in der NZZ publiziert wurde. Da wir uns zu den «Energiewende-Zweifler:innen» zählen, sind wird direkt angesprochen. Wir möchten es daher nicht versäumen, eine kurze Replik auf den offenen Brief abzufassen.

Liebe Energiewendler, liebe Solar- und Windpropheten, liebe Tagträumer – liebe Schweizerische Energiestiftung.

Tatsächlich haben wir eine Gemeinsamkeit zwischen uns gefunden. Auch uns treibt die Frage um, wie wir «unsere Versorgungssicherheit garantieren und den globalen Klimawandel möglichst effektiv begrenzen» können. Genau genommen ist dies gar unsere Mission.

Doch damit enden die Gemeinsamkeiten. Was in Ihrem Schreiben folgt, ist das übliche Gesundbeten der eigenen energiepolitischen Positionen. Sie schreiben beispielsweise: «Wenn wir unsere inländische Stromproduktion nicht schnell steigern, können wir das Netto-Null-Ziel vergessen und machen uns rundum von der EU abhängig – oder von russischem Gas. Wollen Sie das wirklich?» Für eine Organisation, welche wesentlich an der Energiestrategie 2050 mitgewerkelt und diese im Abstimmungskampf massiv unterstützt hat, ist es schamlos, die drohende Abhängigkeit von russischem Gas der politischen Gegnerschaft in die Schuhe zu schieben.

Wir wissen alle, dass Gaskraftwerke immer ein integraler Bestandteil der Energiestrategie waren – weil Erneuerbare keine Grundlast liefern – doch dann verschwanden die Gaskraftwerke kurz vor dem Abstimmungstermin aus den offiziellen Dokumenten. Allen Beteiligten war bewusst, dass die Energiestrategie eine Importstrategie ist. Auch Sie wussten dies, haben die Energiestrategie trotzdem massiv unterstützt. Die Aussicht auf Subventionen für den Ausbau von unnützen erneuerbaren Energien war zu verlockend, als dass man eine faire Evaluation der Situation machen wollte. Sich jetzt hinzustellen und zu beklagen, die Abhängigkeiten von Gas und EU-Strom sei ein massives Problem, ist schlicht unredlich. Sie tragen schliesslich eine Mitverantwortung dafür, dass wir jetzt in dieser Sackgasse stecken.

Vollends diffus wird es, wenn Sie Atomwaffenprogramme – mitunter jenes Russlands – mit der zivilen Nutzung der Kernenergie in Verbindung bringen. Was Putins Atomkriegsdrohung mit möglichen Laufzeitverlängerungen von Schweizer Kernkraftwerken oder Neubauprojekten zu tun hat, erschliesst sich uns aus Ihrem Schreiben nicht. Russlands unmittelbarer Nachbar Finnland hat gerade wegen der Bedrohung aus Russland ein neues Kernkraftwerk in Betrieb genommen und die finnischen Grünen befürworten die Kernkraft zur Lösung des Klimaproblems und zur Sicherung der eigenen Stromversorgung. Dies sollte Ihnen zu denken geben.

Sodann zeichnen Sie ein vollkommen unrealistisches Bild einer zukünftigen Schweizer Stromlandschaft: «Unser Stolz, die Wasserkraft, gleicht hiesige Sonne und hiesigen Wind bedarfsgerecht aus und macht uns wirklich unabhängig.» Sie wissen genauso gut wie wir: Die vorhandenen Speicherkapazitäten der Wasserkraft reichen bei weitem nicht, um die saisonalen Schwankungen bei der Solar- und Windkraft auszugleichen. Um die Dunkelflauten in den Wintermonaten mit Wasserkraft überbrücken zu können, würde es neue Schweizer Pumpspeicherwerke in der Grösse von 12 Mal der Grande Dixence benötigen. Ginge es Ihnen tatsächlich um die Versorgungssicherheit der Schweiz, wie Sie im Brief behaupten, so würden Sie die Speicherproblematik nicht einfach unter den Tisch kehren. Sie können noch so viele Windräder und Solarpanels aufstellen: Das saisonale Speicherproblem ist nach wie vor ungelöst. Dies sollten Sie Ihren Anhängern bei Gelegenheit schonend beibringen. Denn das Festhalten an Ihren Träumen wird uns sonst nur noch weiter in gefährliche Abhängigkeiten führen.

Doch mit der Redlichkeit ist es in Ihrem Schreiben ohnehin so eine Sache: «Schweizer Produzenten von Solarmodulen und Turbinen, Monteure und Geologinnen schaffen Jobs und Wertschöpfung», schreiben Sie beispielsweise und suggerieren damit, dass ein Ausbau der Erneuerbaren vor allem dem heimischen Gewerbe zugutekommt. Es tut uns leid, aber auch hier müssen wir Ihren Gottesdienst stören. Über 70 Prozent der Solarpanels stammen zurzeit beispielsweise aus China nur gerade mal fünf Prozent aus Schweizer Produktion.

Schliesslich haben Sie die Unverfrorenheit, jenen Kreisen, welche die Möglichkeit neuer Kernkraftwerke nicht ausschliessen möchten, vorzuwerfen, sie würden Tagträumen anhängen. «Aber wir möchten Sie sehr gerne wieder ins Hier und Jetzt zurückholen», so das Angebot an Ihre Gegner. Danke, aber wir sind bereits in der Realität angekommen. Ein Blick nach Deutschland reicht, um zu sehen, was eine Kernenergie-freie Energiewende samt massivem Ausbau von neuen Erneuerbaren, wie es auch Ihnen vorschwebt, bedeutet: Abhängigkeit von Despotengas plus massiven CO2-Ausstoss aus Kohlekraftwerken, die weiter betrieben werden müssen, weil sonst die Bandenergie fehlt. Gut gemeint ist eben noch lange nicht gut.

Zum Schluss noch dies: Ihr offener Brief ist ein Abbild Ihrer Energiepolitik. Stringenz und Stichhaltigkeit sucht man darin vergebens. Die NZZ, in der Sie Ihren offenen Brief publizierten, warb einst mit folgendem Bonmot von Friedrich Dürrenmatt - die Arbeit an der Sprache ist Arbeit am Gedanken. Sie sollten Ihre Energiepolitik überdenken.

Stringenz und Stichhaltigkeit sucht man bei der Schweizerischen Energiestiftung vergebens.