Es drohen Rationierungen
Jetzt sollen es zur Not Öl-Heizungen im XXL-Format richten. Die Misere der Schweizer Energiepolitik wird immer offensichtlicher.
Das Szenario wirkte stets zugespitzt, etwas unrealistisch gar: Beide Reaktoren des Kernkraftwerks Beznau und ein Drittel der Meiler in Frankreich müssten nicht zur Verfügung stehen, die Speicherseen schlecht gefüllt und die Importmöglichkeiten wegen des fehlenden EU-Stromabkommens erschwert sein, damit in der Schweiz im Winter für einige Stunden der Strom wegbleibt.
Nun zeigt sich, dass ein temporärer Strommangel bei einer weit weniger konstruierten Konstellation eintreten könnte und dass die Eintretenswahrscheinlichkeit weit höher liegt als beim oben beschriebenen Szenario: «Bei einem Totalausfall von russischem Gas ginge es nicht ohne Rationierungen», sagt Elcom-Präsident Werner Luginbühl im Interview mit der NZZ ohne Umschweife. Der Berner alt Ständerat bezieht sich dabei nicht auf fehlende Gaslieferungen in die Schweiz, sondern auf solche nach Europa. Deutschland wie auch Frankreich benötigen Gaskraftwerke, um Spitzenbelastungen beim Strom abdecken zu können, Italien ist grundsätzlich stark vom Gas abhängig. Im Normalfall kann die Schweiz im Winter aus Deutschland und Frankreich Strom importieren. Sollten aber diese Länder selbst wegen fehlenden Gases in eine Stromknappheit geraten, sind diese Importmöglichkeiten bald schon Makulatur.
Ungute Aussichten für die Schweiz. Trotzdem fordert die Elcom weiter den Bau von zwei, drei Gaskraftwerken als Notstromaggregate. Was in der aktuellen Situation wie ein schlechter Witz tönt, ist leider fast alternativlos. Zudem – und das war eigentlich immer klar – werden halt bei der CO2-Bilanz Abstriche gemacht. Denn die Gaskraftwerke sollen gemäss Luginbühl im äussersten Fall auch mit Heizöl betrieben werden können. Die bestehenden Pflichtlager für Heizöl des Bundes würden somit zur Resilienz der Stromversorgung beitragen.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass man in den vergangenen Jahren von politischer Seite nichts unversucht gelassen hat, den Hausbesitzern ihre Ölheizungen auszutreiben, während man nun auf nationaler Ebene Ölheizungen im XXL-Format bauen möchte. Aber gut. So ist es halt, wenn man jahrelang eine falsche Energiepolitik betreibt und sich physikalischen und ökonomischen Realitäten komplett verweigert. Die ElCom hätte schon vor der Energiegesetzabstimmung 2017 warnen müssen, dass sich die Schweiz ohne Kernkraftwerke in eine fatale Auslandsabhängigkeit manövriert. Aber der damalige ElCom-Präsident wollte seiner Parteifreundin und Bundesrätin Doris Leuthard nicht in die Parade fahren.
Eine CO2-intensive «Pflästerlipolitik» ist der Preis, den die Schweiz jetzt bezahlen muss, für allzu realitätsfremde Träumereien in der Energiepolitik. Es bleibt zu hoffen, dass die Kosten in Zukunft nicht noch viel höher ausfallen werden. Ein Totalausfall von russischem Gas ist angesichts der gegenwärtigen Lage nicht auszuschliessen. Die Kosten für den daraus folgenden Strommangel in der Schweiz wären enorm. Schliesslich sind die Gaskraftwerke – samt Heizöloption – noch lange nicht gebaut. Leider tobt der Ukrainekrieg bereits jetzt.