Hochrisikostrategie Gaskraftwerke
Die Schweiz braucht Gaskraftwerke, weil die Energiestrategie gescheitert ist. Aber aufgepasst: Ohne Gaslager und längere KKW-Laufzeiten wird es nicht gehen.
Noch in letztem Sommer sagte Axpo-CEO Christoph Brand in einem Interview mit dem Tagesanzeiger, «es wäre absurd, eine CO2-neutrale Energiequelle wie die Kernkraft durch eine fossile zu ersetzen. Die Schweiz müsste sich schämen.» Offenbar ist nun Zeit für eine kollektive Scham gekommen. Denn wie die NZZ am Sonntag berichtet, sprechen sich sämtliche grossen Stromkonzerne im Land sowie die Netzbetreibergesellschaft Swissgrid in einem internen Papier für zwei bis drei neue Gaskraftwerke in der Schweiz aus. In seltener Einigkeit schwenken nun die Stromkonzerne auf die Linie der ElCom ein, welche solche bereits zuvor forderte.
Nüchtern betrachtet kommt die Forderung zur Unzeit: Um sich für eine Strommangellage zu wappnen, soll ausgerechnet auf Strom aus Gaskraftwerken abgestellt werden. Die Chance, dass es zu einer gleichzeitigen Strom- und Gasknappheit kommen könnte, ist mit dem brutalen Überfall Putins auf die Ukraine massiv gestiegen. Nicht ohne Grund ist man in vielen Ländern Europas zurzeit mit Hochdruck daran, die eigene Abhängigkeit von russischem Gas zu minimieren.
Dies weiss man natürlich auch bei Alpiq, Axpo und BKW. Deshalb wird gleichzeitig auch die Diskussion über Gaslager angeregt, um die Energiesicherheit der Schweiz auch in Krisen zu gewährleisten. «Die Frage der Erdgasspeicherung müssen wir auf jeden Fall nochmals anschauen», sagt Cornelia Staub, Regulierungsmanagerin bei der Nordostschweizer Axpo im entsprechenden Artikel. Es ist klar, dass Gaskraftwerke nur dann als Notstrom-Variante taugen, wenn auch die Versorgung mit Gas sichergestellt werden kann. Zwar gibt es in der Schweiz Projekte für solche Gaslager. Verfügbar sind diese allerdings noch lange nicht. Daher ist fraglich, ob Gaskraftwerke als Backups überhaupt taugen. Denn bis spätesten 2025 sollten diese gebaut sein und mit ihnen die Gaslager. Ab diesem Zeitpunkt sei die Stromversorgung nicht mehr in allen Fällen sichergestellt, wie offizielle Dokumente des Bundes vorrechnen.
Die Variante Gaskraftwerke als Lückenbüsser für eine allfällige Strommangellage war immer schon eine Hochrisikostrategie. Denn die Erkenntnis, dass eine Abhängigkeit von russischem Erdgas nicht in unserem Sinn ist, ist nicht neu. Gleichwohl schien es mittelfristig alternativlos, da mit dem Verbot für neue Kernkraftwerke schon länger klar war, dass die Stromversorgung im Winter nicht gesichert werden kann – auch nicht mit einem massiven Zubau von Fotovoltaik.
Nicht neu ist die Tatsache, dass die Schweiz keine Gasspeicher hat. Die Gasvorräte, welches unser Land gemäss Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung haben sollte, liegen in Form von Heizöl vor. Man darf also die Frage stellen: Warum wählt man keine Ölturbinen als Notstromanlage? Klimatechnisch wäre das zwar schlechter als Gasturbinen – aber immerhin das Problem der Vorratshaltung wäre gelöst.
Sicher klar ist, dass die Schweiz froh sein kann, dass die vier Kernkraftwerke weiter betrieben werden können.
Langfristig müssen neue Projekte für Kernkraftwerke angeschoben und kurzfristig die Variante Gaskraftwerke samt Gaslager mit Hochdruck verfolgt werden. Nur so werden in der Schweiz die Maschinen nicht stillstehen. Die Politik ist gefordert, das Verbot von Rahmenbewilligungen für neue Kernkraftwerke zu überdenken!