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Solarstrom ist teurer als Kernenergie

Kommt in der Schweiz die Sprache auf die Kernenergie, heisst es von Anti-Atom-Kreisen sofort: Kernenergie ist zu teuer. Wer genau rechnet kommt zum Schluss, dass das nicht stimmt.

Wenn in der aktuellen Energiediskussion neue Kernkraftwerke als sinnvoller Teil der künftigen Stromversorgung vorgeschlagen werden, reagieren Politik, Medien und auch Spitzenvertreter der Stromwirtschaft jeweils umgehend mit den Argumenten, Kernkraftwerke seien zu teuer, ihre Realisierungszeit zu lang und Neuanlagen hätten politisch ohnehin keine Chancen. Und die Fotovoltaik sei längst die wirtschaftlichste Möglichkeit für neue Stromerzeugung. Stimmen diese Aussagen wirklich? Dazu hier der Vergleich der Kernenergie mit der Fotovoltaik, welche das weitaus grösste Potenzial zur zusätzlichen Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen aufweist und für die Energiewende zentral ist. Wind, Biomasse und Geothermie bleiben marginal und teurer; die Mehrproduktion der Wasserkraft ist beschränkt, ihr Speicherausbau jedoch für die künftige Systemsicherheit entscheidend.

Die Kosten von Kernenergie und Fotovoltaik

In den letzten zehn Wintern lag der Stromimportüberschuss fünfmal über 4 Terawattstunden (TWh). Für den Kostenvergleich wird deshalb ein Kernkraftwerk mit einer Leistung von 1000 Megawatt (MW) betrachtet. Es produziert im Winter 4 TWh und jährlich 8 TWh Strom. Die Investitionskosten seien pessimistisch mit 8 Milliarden Franken angenommen, also spezifisch noch höher als jene der verspäteten französischen EPR-Reaktoren, die meist als abschreckende Beispiele für neue Kernkraftwerke herangezogen werden. Die Strom-Gestehungskosten können inklusive Entsorgung auf 8 bis 10 Rp./kWh geschätzt werden, die Jahreskosten des KKW auf 640 bis 800 Mio. Franken.

Die Investitions- und Gestehungskosten der Fotovoltaik (PV) sinken seit langem. Die Zeit der starken Kostenreduktionen ist allerdings vorbei. Die in der neusten Marktbeobachtungsstudie des Bundes enthaltenen PV-Anlagen sind überwiegend klein. Auch künftig dürfte der überwiegende Anteil des Zubaus Kleinanlagen sein, da alle Möglichkeiten genutzt werden müssen, damit die Ausbauziele des Bundes erreicht werden können. Vergleichsweise wenige Anlagen weisen heute eine Leistung von mehr als 20 Kilowatt-Peak (kWp) auf. Für 8 TWh Jahreserzeugung sind Fotovoltaikanlagen mit einer Leistung von total 8000 MW nötig. Selbst wenn man die mittleren spezifischen Investitionskosten sehr optimistisch mit 1500 Fr./kWp annimmt, ergeben sich Investitionskosten von 12 Mrd. Franken. Die mittleren Gestehungskosten werden in der Solarliteratur für Anlagen von 10 bis 30 kW mit durchschnittlich 13 Rp./kWh angegeben; daraus ergeben sich Jahreskosten von 1,04 Mrd. Franken.

Die Behauptung, die Fotovoltaik sei heute die kostengünstigste Stromproduktionstechnologie, bezieht sich meist auf Grossanlagen von 1000 Kilowatt (kW) und mehr, für die Gestehungskosten von etwa 6 Rp./kW angegeben werden. Die jüngste durch die kostendeckende Einspeisevergütung unterstützte PV-Grossanlage hat eine Leistung von 1220 kW. Deren Subvention 2020 betrug 7 Rp./kWh und war damit allein schon grösser als die in der Literatur versprochenen Gestehungskosten. Mehr noch: Mit der hängigen Revision des Energiegesetzes soll die Einmalvergütung für Grossanlagen gar auf bis 60% der Investitionskosten erhöht werden! Eine wirtschaftliche Stromproduktionstechnologie müsste nicht subventioniert werden und erst recht nicht in diesem Ausmass.

Schon im Jahresvergleich ist die Kernenergie kostengünstiger als die Fotovoltaik. Dies wäre selbst dann der Fall, wenn das KKW 10 Mrd. Franken kosten würde. Erst recht gilt dies für den Winter, der für die Versorgung massgebend ist. Das rührt vor allem daher, dass für die gleiche Jahresstromerzeugung mit Fotovoltaik achtmal mehr Leistung installiert werden muss als bei der Kernenergie, für Winterstrom gar mehr als dreizehnmal so viel.

Die Realisierung eines neuen Kernkraftwerks erfordert, nicht zuletzt aus politischen Gründen schätzungsweise 15 bis 20 Jahre. Der für die gleiche Jahresstrommenge notwendige Zubau von 40 bis 50 km2 Fotovoltaikfläche braucht ebenso lange.

Wirtschaftlichkeit

Für die Wirtschaftlichkeit einer Stromproduktionstechnologie sind nicht nur die Investitions- und Gestehungskosten zu berücksichtigen, sondern auch kostenrelevante Eigenheiten und die Integrationsfähigkeit in das Stromsystem. Insbesondere sind dies die Realisierungsgeschwindigkeit, die Akzeptanz, die bedarfs- und saisongerechte Produktion, der zusätzlich nötige Speicherbedarf und der Beitrag zur Versorgungssicherheit und zum Klimaschutz. Eine Abwägung all dieser Faktoren untermauert die ökonomischen Vorteile der Kernenergie. Sie ist in der Schweiz nicht teurer als die Fotovoltaik und erst recht nicht teurer als die Stromerzeugung mit anderen neuen erneuerbaren Energien.

Investitionsdefizit

Warum wird nicht mehr in die Stromerzeugung investiert? Zum einen sind die üblichen Widerstände gegen fast alle Energieinfrastrukturanlagen zu nennen. Zum andern wird die Investitionsfreude durch die Eigenheiten des Strommarkts gehemmt. Die Preise auf dem Strommarkt werden nach der Merit-Order-Regel aufgrund der variablen Kosten bestimmt, und zwar durch den zuletzt berücksichtigten Produzenten. Wer dabei nur einen Deckungsbeitrag und nicht die Vollkosten erhält, ist nicht in der Lage, seine Anlage zu amortisieren und neue zu bauen. Dies führt in Zeiten tiefer Strompreise wie in den letzten Jahren dazu, dass keine neuen Kraftwerke mehr ohne Subventionen erstellt werden. Die Wasserkraft ist davon genauso betroffen wie die Kernkraft, die Windkraft und die Fotovoltaik. Ohne zielführende Massnahmen geht es wohl nicht.

Es braucht Fotovoltaik und Kernenergie

Die Energiezukunft ist bekanntlich elektrisch. Damit ist eine der zentralen Fragen, wie der massiv steigende Stromverbrauch bei gleichzeitiger Ausserbetriebnahme der Kernkraftwerke gedeckt werden kann. Gemäss der heutigen energiepolitischen Doktrin soll die Stromerzeugung spätestens ab 2050 nur noch aus erneuerbaren Quellen erfolgen. Dabei geht der Bund in seinen Energieperspektiven 2050+ von der unverantwortlichen Annahme aus, dass jederzeit genügend Strom importiert werden kann. Für die Wintermonate wird im Basisszenario für 2035 ein Importbedarf von 15 TWh oder 38,5% des Verbrauchs ausgewiesen, für 2050 von immer noch 20%. Dies trotz der verstärkten Anstrengungen zum Ausbau der erneuerbaren Energien und zur Energieeffizienz. Es wird also aufgrund der heutigen Kenntnisse weder mit dem Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung noch mit neuen Kernkraftwerken gelingen, die sich öffnende Schere des Winterstromdefizits rechtzeitig zu schliessen, besonders wenn nur eingleisig gefahren wird. Es braucht beides. Die Behauptung, Fotovoltaik sei wirtschaftlicher als die Kernenergie, soll wohl suggerieren, dass es um ein Entweder-Oder gehe, bei dem die Energiewende und das Nettonull-Ziel für die CO2-Emissionen ohne Kernenergie günstiger zu haben seien. Das Gegenteil ist richtig: Wer Versorgungssicherheit und Klimaschutz verlangt, darf nicht gleichzeitig aus der Kernenergie aussteigen wollen.

Der Beitrag stammt von Eduard Kiener. Er ist erstmals in den Publikationen von CH Media als Gastkommentar am 8. Februar 2022 erschienen. Eduard Kiener ist ehemaliger Direktor des Bundesamtes für Energie und Mitglied des Expertenbeirates des Energie Club Schweiz.

Kernenergie ist nicht teurer als Solarenergie.