Grüne Kernenergie
Kernenergie soll in der EU als grüne Technologie gelten. Frankreich hat gemeinsam mit weiteren Staaten dafür gesorgt, dass die praktisch klimaneutrale Kernenergie in die Taxonomie aufgenommen wurde. Das ist richtig so.
Nun also doch. Lange wurde spekuliert, am 31. Dezember 2021 fiel die Entscheidung: Die EU-Kommission legte ihren Vorschlag zur «Taxonomie» von als nachhaltig geltenden Finanzinvestitionen vor. Mit dabei ist nebst Windkraft oder Solarenergie nun also auch die Kernenergie. Sie wird in der EU in Zukunft als grüne Energie gelten.
Die Entscheidung der EU-Kommission löste vielerorts Konsternation aus, andernorts nahm man die Entscheidung mit Genugtuung zur Kenntnis. Letzteres dürfte vor allem in den Regierungspalästen von Paris der Fall gewesen sein. Schliesslich hatte der französische Staatpräsident Emanuel Macron hartnäckig auf eine solche Entscheidung hingearbeitet. Mit gutem Grund: Frankreich wird in den kommenden Jahren und Jahrzehnten den bestehenden Kernkraftwerkpark erneuern und damit wesentlich dazu beitragen, die Stromversorgung Europas sicherzustellen. Es ist eine regelrechte energiepolitische Grossoffensive, welche Macron plant. Die EU-Taxierung als grüne Energie wird dabei helfen, die nötigen Finanzen leichter bereitstellen zu können.
Die EU-Kommission hat mit ihrem Entscheid Mut bewiesen. Denn die Opposition gegen die Pläne dürfte spätestens nach den Wahlen in Deutschland 2021 nochmals grösser geworden sein. Die Grünen, die neu in der deutschen Regierung amten, hatten sich vehement gegen dieses Ansinnen gewehrt. Wie hätte es auch anders sein können? Denn der Widerstand gegen die Atomkraft gehört schliesslich zur DNA der Partei. Diese ist nun am Realismus der EU-Kommission zerschellt. Und das ist gut so, wie auch die NZZ in ihrem Kommentar schreibt: «Ohne Not auf Kernenergie zu verzichten, ist schlichtweg unvernünftig. Deshalb schliesst die EU-Kommission die Möglichkeit neuer AKW aus ihrer Taxonomie richtigerweise nicht aus.»
Aus Schweizer Sicht wünschte man sich für einmal, dass Entscheidungen der EU-Kommission auch hier Wirkung entfalten würden. Denn auch die Schweiz täte gut daran, die bestehende Kernenergie nicht nur zu hegen und zu pflegen, sondern auch in Zukunft auf diese grüne Form der Stromgewinnung zu setzen. Es bleibt zu hoffen, dass die Entscheidung der EU-Kommission zumindest indirekt die hiesigen Entscheidungsträger aufrüttelt. Das Neubauverbot von Kernkraftwerken in der Schweiz gehört aufgehoben. Denn genau wie in der EU auch ist im Kampf gegen die Klimaerwärmung und für die Versorgungssicherheit Pragmatismus gefragt und nicht realitätsfremde grüne Ideologie.
Was die Freude an der Taxanomie schmälert: Aufgrund der Versorgungssicherheit wurde auch Gas – zwar nur als Übergangsenergie – ebenfalls in die Taxonomie aufgenommen. Dies zeigt, dass Sonne und Wind eben die Versorgungssicherheit nicht gewährleisten können. Wann sehen das die Grünen ein?