Fliegender Start für die «Ampel»
Die neue deutsche Regierung hat keine Zeit, sich umsichtig einzuarbeiten. Im Energiebereich schellen die Alarmglocken.
Es begann damit, dass die Spotpreise auf dem Strommarkt explodierten. Während Jahren dümpelten sie zwischen 20 und 80 Euro pro Megawattstunde (MWh), oft mit Ausreissern ins Negative. Ende August lagen sie erstmals deutlich über 100 € und von da an jagte ein Rekord den anderen: am 21. Dezember erreichte der Stundenmittelwert 620 €. Das sind rund 65 Rappen pro kWh – im Grosshandel!
Ein weiteres Alarmsignal kommt von den Frequenz-gesteuerten Uhren in den Küchen: Sie gehen inzwischen um fast eine Minute nach. Das heisst, die Frequenz des Wechselstromnetzes liegt tendenziell unter 50 Hz. Das geschieht, wenn die Strom-Nachfrage das Angebot übersteigt. Normalerweise würde man das Angebot erhöhen, um die Frequenz leicht über 50 Hz zu steigern. Das ist seit dem 6. Dezember nicht mehr gelungen.
In dieser Situation war es nicht hilfreich, dass ein Problem in einem französischen Kernkraftwerk aufgetreten ist. In Frankreich gilt die Regel, dass alle baugleichen Reaktoren stillgelegt und überprüft werden, wenn sich irgendwo ein Problem zeigt. Diesmal betraf es vier Reaktoren mit einer Leistung von je 1500 MW.
Da ist es kein Wunder, dass die Leiterin des deutschen BDEW (Bund deutscher Elektrizitätswerke) die Politik dringend zum Handeln aufgerufen hat. Es gehe nicht an, dass «Discountversorger» einfach die Stromlieferungen einstellten. Es brauche Sozialhilfe, damit die Stromrechnungen noch bezahlt werden können. Sogar den Katastrophenfonds «Kreditanstalt für Wiederaufbau» will sie anzapfen. Schliesslich sei es so, dass «die Grundversorger an allen Fronten kämpfen, um die Versorgung von Kundinnen und Kunden zu sichern.» wie sie in einer Medienmitteilung vom 23. Dezember schreibt.
Das alles ist schlimm genug. Aber Ende Jahr werden in Deutschland drei Kernkraftwerke abgeschaltet. Dann fehlen weitere knapp 4'000 Megawatt. Hoffen wir, dass dann nicht auch noch eine Kältewelle auftritt, denn was auf dem deutschen Strommarkt geschieht, betrifft auch uns in der Schweiz.