Runder Tisch für Bundesrätin Sommaruga
Der Runde Tisch zur Wasserkraft von Bundesrätin Simonetta Sommaruga wurde als grosser Erfolg gefeiert. Dabei ist er voller Ecken und Kanten, denn die tatsächlichen Gegner der Ausbauprojekte waren gar nicht am Tisch.
Auf den ersten Blick hätte man meinen können, der gordische Knoten der Schweizer Energiepolitik sei nun endlich durchtrennt worden. Denn wie ein Bericht im Echo der Zeit von SRF suggeriert, hätten die Umweltverbände ihren jahrelangen, notorischen Widerstand gegen den Ausbau der Wasserkraft aufgegeben: O-Ton SRF: «Die jahrelange Blockade für neue Wasserkraftwerke soll enden.» Als interessierter Hörer war man erstaunt und erfreut zugleich. Kann das wirklich wahr sein? Woher kommt dieser plötzliche Sinneswandel bei den Umwelt- und Landschaftsschützern? Hat die gehäufte Berichterstattung über die drohende Versorgungslücke im Winter tatsächlich dazu beigetragen, dass man auch in Umwelt-Kreisen Speicherkapazitäten mehr Gewicht einräumt als dem Schutz der Landschaft und der Biodiversität?
Sie ahnen es: Da müsste vermutlich noch sehr viel Wasser die Aare runterfliessen, bis wir einen solchen Sinneswandel bei den links-grünen Blockierern miterleben dürfen. Und so ist die Realität weit weniger spektakulär, als dies der SRF-Beitrag suggeriert: Einige Umweltverbände haben sich zusammen mit Kantons- und Branchenvertretern an einem von Bundesrätin Sommaruga einberufenen runden Tisch darauf verständigt, dass gewisse Projekte bei der Wasserkraft unter Umständen realisiert werden können. Insgesamt habe man 15 Projekte ausgeschieden, «die einerseits die grösste Stromproduktion versprechen, und andererseits die geringsten Auswirkungen auf Biodiversität und Landschaft haben», wie SRF berichtet.
Natürlich müssten andernorts Kompensationen geleistet werden, Renaturierungen und dergleichen. Dies ist der Preis, den die Umweltverbände für ihr Entgegenkommen fordern. Die 15 Projekte könnten bis 2040 zusätzlich 2 Terrawattstunden Strom generieren: «Das entspricht genau dem Ziel des Bundesrats, das er im Entwurf zum Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien definiert hat, um den absehbaren Stromengpass im Winter überbrücken zu können, der aufgrund des Ausstiegs aus der Kernenergie entsteht», rechnet das SRF vor. Alles gut also?
Für SP-Bundesrätin Sommaruga vermutlich schon, denn die Botschaft ist angekommen: Die Energieministerin bringt Bewegung in die vertrackte Situation. Doch an den runden Tisch wurden die falschen Akteure eingeladen: Nämlich vonseiten der "Umweltverbände" bloss Pro Natura (Präsidentin: SP-Nationalrätin Schneider-Schüttel), der Fischereiverband (Präsident: SP-Ständerat Roberto Zanetti), der WWF (CEO Thomas Vellacot) und die Stiftung Landschaftsschutz. Die entscheidenden Verbände MountainWilderness, Aqua Viva, Birdlife und Helvetia Nostra wurden aussen vorgelassen. Zudem hat die Stiftung Landschaftsschutz die Erklärung gar nicht unterzeichnet.
Es ist also eine Tatsache, dass am Runden Tisch nicht "Umweltverbände", sondern einzig zwei SP-Parlamentarier und ein WWF-Vertreter anwesend waren. Entsprechend ist das Resultat nutzlos, denn die Einsprachen werden so nicht abnehmen. Die "Umweltverbände" waren ja nicht einmal halbwegs beteiligt. Auch vonseiten Tourismus war niemand anwesend.
Axpo sieht es auch anders
Objektiv gesehen ist gar nichts gewonnen, denn es ist unklar, ob die abwesenden Umweltverbände diesen Kompromiss mittragen werden. Im Beitrag wird zwar vollmundig von «den Umweltverbänden» gesprochen. Doch dürften längst nicht alle einer Meinung mit SP-Nationalrätin, Pro Natura-Präsidentin und Sommaruga-Parteikollegin Ursula Schneider Schüttel sein. Es mag auch daran liegen, dass die Axpo, die grösste Betreiberin von Wasserkraftwerken in der Schweiz äussert zurückhaltend auf das Ergebnis des Runden Tisches, an welchem sie ebenfalls sass, reagierte: «Es sei fraglich, ob die Liste mit 15 Projekten ausreichen werde, denn jedes einzelne müsse zustande kommen, um die angestrebten zwei Terrawattstunden zu erreichen.» Solange es noch Umweltverbände gibt, die dagegen ankämpfen, dürfte dies nicht machbar sein.
Zudem, so schreibt die Axpo in einer Medienmitteilung weiter, brauche es deutlich mehr für eine erfolgreiche Energiewende. Allein im Winter seien zwölf Terrawattstunden neue Stromproduktion nötig. Also sechsmal mehr. Damit die Energiewende gelingt, müssten gar rund 50 Terrawattsunden aus erneuerbaren Energien zugebaut werden. Angesichts dessen ist bereits heute klar, dass der Runde Tisch und die Berichterstattung einzig und allein Bundesrätin Sommaruga genützt hat. Die realen Probleme in der Energiepolitik der Schweiz wird man auch mit diesem Runden Tisch – leider – nicht lösen.