Kernenergie lohnt sich
Eine neue Studie aus Frankreich sorgt für Gesprächsstoff und stört den Anti-Kernenergie-Gottesdienst in den hiesigen Medien. Sie zeigt, dass der Bau neuer Kernkraftwerke durchaus wirtschaftlich ist.
Die Kernkraft sei ein Relikt der Vergangenheit. Neue Reaktoren zu bauen, sei nicht wirtschaftlich, heisst es in schöner Regelmässigkeit in den hiesigen Medien. Doch nun stört eine Studie des französischen Netzbetreibers RTE den allgemeinen Anti-KKW-Gottesdienst: «Neue Atomreaktoren zu bauen, ist aus wirtschaftlicher Perspektive sinnvoll.». So klar und deutlich hat man dies seit Jahren nicht mehr gehört. Wer jetzt denkt, dies sei eine Auftragsstudie der Atomindustrie, den muss man enttäuschen. Der Netzbetreiber hat ja letztlich die Verantwortung das Stromnetz auszubalancieren, deshalb besticht die Studie, über die der Tagesanzeiger berichtet, dadurch, dass sie ideologiefrei und vor allem technologieoffen ist. Man verzichtet darauf, die eine Technologie gegen eine andere auszuspielen.
Die verschiedenen Szenarien für eine französische Klima- und Energiepolitik der kommenden Jahre werden wertfrei ausgeführt und einander gegenübergestellt. Sie reichen von einem kompletten Ausstieg aus der Kernenergie bis zum Bau von bis zu 14 neuen EPR-Reaktoren und weiteren kleineren SMR-Atomredaktoren. Für die Autoren der Studie ist dabei klar, dass auch ein Ausbau der Kernkraft einen weiteren Ausbau der Erneuerbaren bedingt. Angesichts der in den kommenden Jahren stark wachsenden Nachfrage nach Strom ist es sicher nicht falsch, auf sämtliche verfügbare Quellen zugreifen zu wollen. Die verschiedenen Technologien werden denn auch nicht in Konkurrenz zueinander gesehen, sondern in ihrer Komplementarität gewürdigt.
Vielleicht ist man in Frankreich - zumindest was die Energie- und Klimapolitik anbelangt - in eine fast schon postideologische Phase eingetreten, wo diffuse Ängste vor der Kernkraft genauso falsch erscheinen, wie eine kategorische Ablehnung der Erneuerbaren. Ein Indiz dafür kann auch darin gesehen werden, dass das linke Lager in Frankreich, darunter Yannick Jadot (Grüne) und Anne Hidalgo (PS), zwar wie üblich für einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien werben. Gleichzeitig aber begehen sie nicht den Fehler, die Kernenergie zu verteufeln oder gar verbieten zu wollen. In der Schweiz wäre schon viel gewonnen, wenn ein Balthasar Glättli (Grüne) oder das Duo Cedric Wermuth-Mattea Meyer (SP) von ihren Genossen auf der anderen Seite der Grenze etwas lernen würden. Im Gegensatz zur Grande Nation besteht in der Schweiz leider ein Technologieverbot. Im Anhang zum Energiegesetz wurde das Kernenergiegesetz geändert, das Rahmenbewilligungen für die Erstellung von Kernkraftwerken verbietet. Der entsprechende Gesetzesartikel ist ein Unding. Die aktuelle Studie des französischen Netzbetreibers RTE zeigt dies einmal mehr. Es ist Zeit, um auch in der Schweiz technologieoffen über eine sichere und CO2-arme Energieversorgung zu diskutieren.