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Mangelwirtschaft: Kein Thema für die Medien

Strom wird immer knapper. Die Schweiz läuft in einen Versorgungsengpass. Der Bundesrat hat jetzt erste Massnahmen angekündigt. Allerdings berichtet darüber der Nebelspalter als einziges Medium.

«Schreiben was ist», das war einmal ein hehrer Grundsatz des Journalismus. Sagen, was ich glaube, schreiben, was ich meine, das ist heute leider näher bei der Wirklichkeit. Dabei gehört eigentlich auch «sagen was kommt» zu einem seriösen Journalismus, besonders, wenn klar ist, was kommt. Da hapert es zurzeit gewaltig. Abgesehen von der Klimakatastrophe kümmert sich kaum jemand um die Zukunft. Schon gar nicht, wenn es um die Stromversorgung geht. Dabei gäbe es da interessante Frühwarnsignale: Der Spotpreis für elektrische Energie explodiert nämlich gerade.

Die Website electricitymap.org ist eine Fundgrube für Information über den Strommarkt. Sie zeigt nahezu in Echtzeit von jedem Land (jedenfalls in Europa) wo der Strom gerade herkommt und was er an der Strombörse gerade kostet.

Die Strombörse funktioniert einfach erklärt so: Der Stromhandel ist ein Termingeschäft. Die Stromversorger kaufen die wahrscheinlich benötigte Energie (und Leistung) lange zum voraus ein. Wenn es sich dann herausstellt, dass sie zu viel oder zu wenig eingekauft haben, müssen sie die die fehlende Energie zukaufen oder die überschüssige verkaufen. Dazu dient die Börse.

Der Spotpreis an der Börse ist ein Signal für die Knappheit oder den Überfluss des Angebots. Während Jahren dümpelte der Spotpreis zwischen 20 und 50 € pro MWh daher. Das hat sich in den letzten Monaten drastisch geändert. Im Juli und August sah man Preise bis 150 € pro MWh.

Es ist eindeutig: Zeitweise ist der Strom knapp. Er wird immer knapper. Niemand will es sehen, jedenfalls die Medien nicht.

Umso verwunderlicher: Jemand hat es offenbar doch endlich eingesehen. Man höre und staune: Der Bundesrat! Mit Datum vom 18. August 2021 schickte er eine Verordnung in die Vernehmlassung und publizierte eine Medienmitteilung «Bundesrat will die Vorbereitung auf schwere Mangellagen im Strom- und Gasbereich optimieren».

Woher wissen wir das? Aus der Zeitung? Aus dem Radio oder Fernsehen? Nein – aus dem Nebelspalter. Markus Somm und Dominik Feusi haben es in «Bern einfach» (Abo) thematisiert. Gut, gibt es unabhängige und aufmerksame Medien. Kein anderes Medium hat diese brisante Nachricht zeitgerecht aufgenommen.

Dabei wären Berichterstattung und Einordnung äusserst wichtig. Der bundesrätliche Vorschlag zeigt nämlich, dass die Landesregierung die Strom-Mangelwirtschaft verwalten möchte, anstatt endlich Lösungen für sichere Winterkapazitäten anzustreben.

Dunkelflaute in Deutschland am 4. August 2021. Hellgrün (Nuklear), Grün (Biomasse), Braun (Kohle), Türkis (Wind), Orange (Solar), Blau (Hydro), Rot (Gas) und Rest (Importe) (Screenshot: electricitymap.org)