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Bei Sonne, Wind und Wasser - der Ausbau der Erneuerbaren ist eine mühsame Angelegenheit

Beim Umbau der Schweizer Energielandschaft harzt es an allen Ecken und Enden. Der Rückgriff auf alt Bewährtes könnte helfen, die Situation zu entschärfen.

Am 11. März jährte sich der durch einen Tsunami verursachte Unfall im KKW Fukushima. Zu diesem Anlass gab der ehemalige Direktor des Bundesamtes für Energie, Walter Steinmann, dem Tagesanzeiger ein Interview. Steinmann verantwortete von 2001 bis 2016 die Geschicke des Bundesamtes und war somit Mitarchitekt der Energiestrategie 2050, welche 2017 vom Volk an der Urne angenommen wurde und nebst dem Atomausstieg eine Fokussierung auf erneuerbare Energien und die Steigerung der Energieeffizienz vorsieht. «Die Energiezukunft wird dezentral, erneuerbar und digital sein», ist Steinmann noch immer überzeugt, wie er im Interview sagt.

Die Energieperspektiven des Bundes hätten schon früh gezeigt, dass ein Ausstieg aus der Atomenergie möglich sei. Ohnehin würde der Bau eines neuen AKWs wohl 20 Jahre in Anspruch nehmen, da mit Einsprachen bis vor Bundesgericht zu rechnen sei. Dieses Risiko würde die Strombranche nicht tragen können. Der Bau eines neuen AKWs sei daher Wunschdenken, auch weil die Gestehungskosten für Strom aus erneuerbaren Energieträgern mittlerweile günstiger seien.

Dass es allerdings beim Ausbau eben dieser Erneuerbaren eher schleppend läuft, sagt auch Steinmann. Es brauche daher eine Offensive im Solarbereich. «Dafür müssen die raumplanerischen und baupolizeilichen Hürden weiter abgebaut werden», ist Steinmann überzeugt.

Einsprachen, Verzögerungen und allenfalls ein Machtwort aus Bern

Interessanterweise sieht Steinmann grosses Potenzial der Wind- und Solarkraft gerade auch in den Wintermonaten. Hierfür wäre jedoch ein massiver Zubau von Windkraft vonnöten. Doch genau an dieser Front harzt es. Projekt um Projekt wird begraben oder an der Urne abgelehnt. Es erstaunt daher nicht, dass Steinmann sagt: «Im Energiegesetz gibt es zwar seit 2018 Regeln, die Nutz- und Landschaftsschutzaspekte von Energieprojekten austarieren helfen. Aber das muss nun mit Entscheiden des Bundesgerichts auch verbindlich umgesetzt und allenfalls in weiteren Gesetzesartikeln konkretisiert werden.» Oder anders ausgedrückt: Hier soll der Bund Notfalls über Gesetze Wind- und Solarparks ermöglichen, die lokal auf massiven Widerstand stossen.

Wenn im Winter nicht genügend Strom im Inland produziert werden kann, bietet es sich an, solchen vorgängig zu speichern, damit man ihn im Winter brauchen kann. «Zum Beispiel kann überschüssiger Sommerstrom aus der Fotovoltaik als Wasserstoff für die kalte Jahreszeit zwischengespeichert werden. Weiter müssen wir die Stromnachfrage intelligenter und flexibler steuern und auch die Energieeffizienz steigern.» Die Speicherproblematik ist jedoch bei weitem noch nicht gelöst. Wasserstoffspeicher sind nicht dort, wo sie sein sollen. Und angesichts dessen, dass die AKWs ab 2030 heruntergefahren werden und der Strombedarf durch die Dekarbonisierung des Individualverkehrs zunehmen wird, werden auch Effizienzsteigerungsmassnahmen nur bedingt dazu beitragen, die Winterlücke zu schliessen.

Plötzlich könnte ein Gaskraftwerk nötig werden – fraglich, ob es je gebaut wird

Ein Ausbau der Wasserkraft, die mit ihren Stauseen ebenfalls Speicherkapazitäten für die Wintermonate bieten, ist praktisch unmöglich geworden. Denn auch hier hagelt es Einsprachen, sobald bestehende Staumauern erhöht oder gar neue Projekte lanciert werden. Die Wasserkraft ist für das Gelingen der Energiestrategie aber eminent wichtig. Wenig überraschend plädiert Steinman auch hier für sanften Zwang: «Der Gewässerschutz soll verhältnismässig bleiben. Sonst geht ein Teil dieser einheimischen, erneuerbaren Ressource verloren.»

Ob Wind, ob Sonne oder Wasser - überall dort, wo gemäss Energiestrategie der grosse Zuwachs geschehen sollte, sieht es alles andere als gut aus. Die politischen Widerstände verhindern den Ausbau. Mit dem Wegfall der Atomkraft wird die Lücke im Winter und die Abhängigkeit vom Ausland grösser. Im Notfall «wenn der Zubau der Erneuerbaren nicht rasch genug gelingt, bleiben Gaskraftwerke eine Option», sagt Steinmann, auf diese Lücke im Winter angesprochen. Gaskraftwerke wären dann aber wohl nur für einige Tage oder Wochen im Winter im Einsatz und müssten 100 Prozent ihrer CO2-Emissionen kompensieren. Wie schnell der Bau solcher Kraftwerke realisiert werden könnte, weiss heute niemand. Es wäre jedoch vermessen, zu glauben, dass nicht auch hier mit massivem Widerstand gerechnet werden müsste.

Angesichts der doch eher trüben Aussichten könnte es sich lohnen, die bestehenden Atomkraftwerke etwas länger laufen zu lassen, als dies die Energiestrategie vorsieht: «Der Ausstieg aus der Atomkraft ist übrigens nur im Gesetz und nicht in der Verfassung verankert, wie das eine Volksinitiative wollte. Mit einer Änderung des Kernenergiegesetzes könnte der Ausstieg also rückgängig gemacht werden», sagt Steinmann im Interview. Vielleicht wäre dies keine so schlechte Idee.