In Dänemark ist die Nutzung der Kernenergie verboten. Trotzdem stammt eine der spannendsten Atom-Innovationen Europas genau von dort: Copenhagen Atomics. Das Start-up will mit einem Mini-Kernkraftwerk im Containerformat zeigen, dass moderne Reaktortechnik sicher, effizient und günstig sein kann. Nun soll das erste reale Experiment dieser Art ausgerechnet in der Schweiz stattfinden – am Paul-Scherrer-Institut (PSI) in Villigen (AG).
Für die Schweiz bietet dieses Projekt mehr als nur technische Erkenntnisse. Es ist ein Blick in eine mögliche Energiezukunft, in der Kernenergie wieder eine tragende Rolle spielt.
Ein Container als Kraftwerk
Das Konzept ist so einfach wie visionär: Ein zwölf Meter langer Container beherbergt einen Flüssigsalzreaktor, der über Jahre hinweg autonom Energie liefern kann. Jedes Modul erzeugt eine thermische Leistung von rund 100 Megawatt – das entspricht etwa drei Prozent des Kernkraftwerks Gösgen.
Mehrere Module können zu einem grösseren Kraftwerk kombiniert oder einzeln dort eingesetzt werden, wo Strom besonders gebraucht wird – etwa in der chemischen Industrie oder bei energieintensiven Produktionsbetrieben.
Ab 2030 will Copenhagen Atomics jährlich bis zu zehn dieser Reaktoren ausliefern. Das Ziel: Stromkosten von nur zwei bis drei Rappen pro Kilowattstunde – also deutlich günstiger als alle erneuerbaren Quellen heute.
Flüssigsalz statt Brennstäbe
Das Herzstück der Technologie ist das flüssige Salz, das den Brennstoff enthält und gleichzeitig als Kühlmittel dient. Die Reaktoren arbeiten bei niedrigem Druck.
Eine Kernschmelze im herkömmlichen Sinn ist nicht möglich, da der Brennstoff bereits flüssig ist. Bei einer Überhitzung fliesst das Salz automatisch in einen Auskühlbehälter und erstarrt dort. Zudem lassen sich Spaltprodukte während des Betriebs abtrennen, was das Abfallvolumen deutlich verringert.
Damit wäre der Flüssigsalzreaktor nicht nur sicherer, sondern auch ressourcenschonender als heutige Reaktortypen.
Copenhagen Atomics – Pioniere aus Dänemark
Gegründet wurde Copenhagen Atomics 2014 von vier Ingenieuren in Kopenhagen. Sie verfolgen ein Ziel, das in Europa fast vergessen ging: Kernenergie massentauglich und dezentral zu machen. Ihr Ansatz: kleine, modulare Reaktoren, die in Serie gefertigt, transportiert und betriebsfertig installiert werden können.
Mit rund 80 Mitarbeitenden gehört das Unternehmen zu den weltweit führenden Start-ups im Bereich der sogenannten Advanced Nuclear Reactors. Fachleute loben den pragmatischen Ansatz und die technische Tiefe der dänischen Entwicklungen. Gleichzeitig bleiben Risiken: Noch steht der entscheidende Praxistest bevor. Gelingt das Experiment in der Schweiz, könnte Copenhagen Atomics den Einstieg in eine neue Ära der Kernenergie einläuten – kompakt, sicher und industriell nutzbar.
Schweizer Forschung im Zentrum
Weil Dänemark keine Kernkraftwerke erlaubt, übernimmt das Paul-Scherrer-Institut die führende Rolle bei den Tests. Geplant ist, die Leistung auf ein Megawatt zu beschränken und die Laufzeit auf einen Monat. Damit erfüllt man die Bedingung «geringe Gefährdung» im Kernenergiegesetz und benötigt keine Rahmenbewilligung.
Wie Marco Streit, Leiter des Hotlabors am PSI, in der NZZ vom 17. Oktober 2025 erklärte, ist das Projekt ein mutiger, aber notwendiger Schritt:
«Wir müssen unser Denken in der Kernenergie völlig neu ausrichten. Das Experiment bringt Know-how in die Schweiz und hilft, die Sicherheit dieser Flüssigsalz-Technologie zu verstehen.»
Marco Streit, Leiter Hotlabor PSI
Der Reaktor wird derzeit vom Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) geprüft. Wenn alles nach Plan verläuft, könnte das Experiment 2028 oder 2029 starten.
Während viele europäische Länder ihre Kernkraftwerke weiter betreiben oder neue Reaktortypen entwickeln, muss die Schweiz zuerst noch das Kernenergiegesetz ändern und Art. 12a streichen, der Rahmenbewilligungen für neue Kernkraftwerke verbietet. Dabei zeigt das dänische Projekt, dass moderne Reaktortechnik neue Wege geht: Sie kann klein, modular und sicher sein – und so eine wichtige Ergänzung zur wetterabhängigen Stromproduktion im Winter bilden.
Solche Entwicklungen bieten nicht nur Chancen für die Forschung, sondern auch für die Industrie. Wer heute mutig testet, kann morgen profitieren – von Wissen, Technologien und vielleicht auch wieder von günstigem, selbst produziertem Strom.
