Erneuerbare Energien können auch in Zukunft die Winterversorgung nicht sicherstellen. Den Bau neuer Atomkraftwerke wieder zuzulassen, macht nicht nur Sinn, sondern ist zwingend geboten.
Der Entscheid des Bundesrats, mit einem Gegenvorschlag zur Blackout-Initiative die Technologieoffenheit bei der Stromproduktion wieder herzustellen, also neue Atomkraftwerke (AKW) grundsätzlich nicht mehr auszuschliessen, hat zu den zu erwartenden Reaktionen geführt. Die rechten Parteien erachten die Atomenergie weiterhin als unverzichtbar, das linksgrüne Lager lehnt sie vehement ab. Nicht überraschend sind die Mitte-Partei und die GLP weiterhin gegen neue AKW.
Erstaunlicher ist dagegen die Haltung der Energiedirektoren-Konferenz, welche den Vorschlag des Bundesrats ebenfalls ablehnt, obwohl die Kantone zusammen mit dem Bund verfassungsgemäss für die Rahmenbedingungen für eine sichere Versorgung zuständig sind; ihnen und den Gemeinden gehören neun Zehntel der Stromwirtschaft.
Die meisten Argumente gegen die Atomenergie sind altbekannt und widerlegt. Die Risiken seien zu hoch, sie sei zu teuer, die Entsorgung sei nicht gelöst, es brauche sie gar nicht, und neue AKW kämen ohnehin zu spät. Es wird auch behauptet, nur schon die Diskussion um neue AKW würde den Ausbau der erneuerbaren Energien verhindern.
Warum soll ein Hausbesitzer auf den Einbau einer ihm zweckmässig erscheinenden Solaranlage verzichten, nur weil irgendwo ein Ersatz-KKW geplant wird? Man darf den Bürgern und der Wirtschaft nicht unterstellen, sie könnten den Sinn der Erneuerbaren nur bei atomenergiefreier Zukunft einsehen.
Übertriebene Hoffnungen
Die Energiestrategie 2050 und das Stromgesetz verlangen den Ausbau der erneuerbaren Energien, lassen aber den Weiterbetrieb der noch produzierenden AKW zu. Dass es weise war, die KKW nicht voreilig abzuschalten, manifestiert die Entwicklung der Stromversorgung.
Die Schweiz kann froh sein, dass sie weiterhin über nuklear erzeugten Strom verfügt. Dies untermauern die Zahlen des Winters 2024/25: Die AKW lieferten 41% der Stromerzeugung, Fotovoltaik und Wind erst gut 6% und in den Monaten November bis Februar gar nur 4%.
Im Stromgesetz wird sicher einsetzbarer, zusätzlicher Winterstrom verlangt. Es sollen 16 neue Wasserkraftvorhaben realisiert werden, ihr erwarteter Beitrag wurde aber, nicht zuletzt wegen der Widerstände, bereits auf die Hälfte reduziert.
Auch die Hoffnungen auf den Solarund den Wind-«Express» erweisen sich als stark übertrieben. Der Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung läuft zwar, aber zu langsam, um künftig die Versorgungssicherheit im Winter zu gewährleisten. Von den nötigen hunderten Quadratkilometern Fotovoltaik und Windanlagen sind wir weit entfernt.
Weil der zusätzliche erneuerbare Strom potenzialbedingt überwiegend aus solarer Produktion stammen muss, ergeben sich gewichtige systemische Probleme. Das Sommer-Winter-Ungleichgewicht wird noch grösser; die zunehmenden Sommerüberschüsse lassen sich immer weniger verwerten. Zudem bedingen die Produktionsschwankungen massiv mehr Saisonund Tagesspeicher und auch das Netz und die Netzregelfähigkeit müssen verstärkt werden. Von diesem unverzichtbaren Systemausbau ist noch wenig zu sehen.
Die Investitionen dafür werden wesentlich geringer, wenn Ersatz-AKW auch künftig ausreichend Bandenergie erzeugen. Die Stromgestehungskosten der Atomenergie liegen schon in der Jahresbetrachtung unter jenen von Fotovoltaik und Wind; der nötige Winterstrom ist nuklear wesentlich wirtschaftlicher bereitzustellen als mit den neuen Erneuerbaren.
Die Atomenergie hat dank ihrer hohen Energiedichte und damit geringem Materialbedarf auch ökologische Vorteile, wie Forschungsresultate des Paul-Scherrer-Instituts zeigen. Insbesondere verursacht sie den kleineren spezifischen Treibhausgas-Ausstoss als Fotovoltaik und Wind, die zudem wegen des erforderlichen Systemausbaus zusätzliche Emissionen hervorrufen.
Wer Klimaschutz ernst nimmt, darf die Atomenergie nicht aus ideologischen Gründen bekämpfen, wie dies leider Parteien und Umweltorganisationen tun.
Politik gefordert
Mit Atomenergie und Erneuerbaren wird die Stromversorgung nicht nur wirtschaftlicher und klimafreundlicher, sondern auch sicherer. Damit ist die Energiepolitik gefordert, für einen effizienten Mix aus Atomenergie und den verschiedenen erneuerbaren Quellen zur Deckung der Energiebedürfnisse zu sorgen.
Untersuchungen dazu fehlen jedoch weitgehend, weil Verwaltung und Energiewissenschaft offenbar glauben, fundierte Abklärungen zu künftiger Atomenergie seien nach dem Ausstiegsvolksentscheid politisch unerwünscht. Stattdessen wird mit immer neuen Studien nach zuweisen versucht, wie die voll erneuerbare Versorgung doch noch funktionieren könnte.
Es ist auch die künftige Nutzung der Speicherkraftwerke zu thematisieren. Sie sind das Rückgrat unserer Stromversorgung und werden in einer von fluktuierender Erzeugung geprägten Versorgung immer wichtiger. Damit ist auch die Frage nach den Prioritäten der Wasserkraft zu beantworten: Versorgungssicherheit oder Stromhandel?
Die repräsentativen Energieumfragen zeigen eine zunehmende Zustimmung der Bevölkerung zu neuen AKW. Sie hat längst erkannt, dass die Versorgung allein durch erneuerbare Erzeugung nicht sichergestellt werden kann und dass nur eine Kombination von erneuerbarem und nuklearem Strom zielführend ist.
Die Blackout-Initiative bildet für die Politik hoffentlich den Anlass zur Korrektur des schwerwiegendsten Fehlentscheids der Energiepolitik, aus der Atomenergie auszusteigen. Der Bundesrat hat mit dem indirekten Gegenvorschlag den Weg dazu aufgezeigt.
Erstpublikation in der „Finanz und Wirtschaft” vom 19.11.2025.
