Die Schweiz erlebt ein Paradox: Immer mehr Solarpanels fluten im Sommer die Netze, doch im Winter drohen Lücken. CKW-CEO und Präsident des VSE Martin Schwab, warnt: Der Solarboom läuft aus dem Ruder und treibt die Kosten für alle nach oben.
Die Zahlen sind alarmierend: Allein in diesem Jahr verzeichnete die Schweiz bereits über 270 Stunden mit negativen Strompreisen. Was nach einem Luxusproblem klingt, entpuppt sich als teure Fehlsteuerung. Denn während Solarpanels im Sommer die Netze überlasten, fehlten im Winter nach wie vor verlässliche Stromproduktion. Schwab fordert deshalb in der NZZ am Sonntag eine radikale Kurskorrektur beim Ausbau der Erneuerbaren.
Tatsächlich hat die Solarenergie in den letzten Jahren einen beeindruckenden Zuwachs hingelegt – von 1400 Megawatt im Jahr 2015 auf über 8000 Megawatt 2024. Doch dieser Boom hat auch seine Schattenseiten: Rund drei Viertel des Solarstroms fallen im Sommerhalbjahr an. Bei Nebel, Schnee oder in den dunklen Wintermonaten bricht die Produktion massiv ein: 8.000 Megawatt mal 0 sind schliesslich immer noch 0.
Anders formuliert: 8.000 Megawatt klingen nach achtmal Gösgen, das 64 TWh produzieren würde. Bei der Solarstromproduktion sind es jedoch nur 8 TWh, da die Sonne nur 1.000 Stunden im Jahr scheint. Die Zahlen sind also irreführend.
Die Folge: teure Reservekapazitäten müssen bereitstehen, um die Lücken zu füllen. Allein die Ausgleichsenergiekosten sind seit 2021 von 65 Millionen auf 350 Millionen Franken explodiert – bezahlt von uns allen.
Noch gravierender ist der sogenannte Kannibalisierungseffekt: Je mehr Solaranlagen gleichzeitig produzieren, desto stärker sinken die Preise – bis hin zu negativen Werten. Das bedeutet: Produzenten erhalten Geld fürs Nichtproduzieren oder fürs Entsorgen von Strom. Ein volkswirtschaftlicher Irrsinn, der nicht nur den Markt verzerrt, sondern auch das Vertrauen der Bevölkerung untergräbt.
Wie der ehemalige ENSI-Vize Georg Schwarz in seinem Artikel aufzeigt, ist es genau dieser Überfluss an Sonnenstrom im Sommer, der den Markt kaputtmacht. Strom, den niemand braucht, wird kaum verkauft – oder nur zu Spottpreisen. Die Politik setzt jedoch weiter auf starre Fördermodelle und Mindestvergütungen, welche Überproduktion sogar noch belohnen. Schwab fordert deshalb ein Ende dieser Fehlanreize: Solarstrom müsse endlich zu Marktpreisen vergütet werden – inklusive der Weitergabe von Negativpreisen.
Der Energie Club Schweiz teilt diese Analyse – geht aber einen entscheidenden Schritt weiter. Selbst mit allen Reformen bleibt die Grundproblematik ungelöst: Solar- und Windstrom sind volatil, wetterabhängig und saisonal schwankend. Ein Land wie die Schweiz kann sich eine solche Unsicherheit nicht leisten. Wenn wir Versorgungssicherheit, Klimaziele und bezahlbare Strompreise ernst nehmen, führt kein Weg am Neubau von Kernkraftwerken vorbei.
Link: Gastkommentar von Martin Schwab in der NZZ
