Kernenergie benötigt weitaus am wenigsten Fläche

In meiner Reihe «Unausgegorene Energiewende» habe ich gezeigt, dass bei der Realisierung der «Energieperspektiven 2050+» des Bundes als grösstes Problem eine Stromlücke im Winter 2050 droht, die fast die Hälfte des Stromverbrauchs in dieser Zeit ausmacht. In den letzten Beiträgen bin ich der Frage nachgegangen, wie gut die verschiedenen Energieträger in der Lage sind, diese Lücke zu stopfen. Jetzt vergleiche ich diese Resultate in Bezug auf die Fläche, die die einzelnen Stromerzeuger benötigen. Dies ist für die engräumige und dichtbesiedelte Schweiz ein zentraler Aspekt.

Was wichtig ist:

  • Die von unserer Energiestrategie favorisierten Lösungen Solarenergie und Batterien brauchen mit Abstand am meisten Fläche – rund 600-mal mehr als Kernenergie!
  • Der Flächenbedarf der Kernenergie zur Stopfung des Winterstromlochs 2050 beträgt nur einen Quadratkilometer.
  • Alle anderen Optionen liegen 50- bis 400-mal darüber – die einzig wirkliche Alternative, Bio-Synfuel, beansprucht aber eine enorme Fläche im Ausland.

Winterstromlücke von 17 Terawattstunden

Nach Vorgaben der «Energieperspektiven 2050+» (siehe hier) haben wir 2050 ein Stromsystem, das gegenüber heute pro Jahr 2 TWh mehr Wasserstrom und 2 TWh mehr Windstrom sowie insgesamt 34 TWh Solarstrom erzeugt, dafür sind alle Kernkraftwerke vom Netz. Unter diesen Bedingungen und unter der Annahme, dass der Stromverbrauch auf 87 TWh pro Jahr steigt, entsteht in den vier Wintermonaten November bis Februar 2050 eine Stromlücke von 17 Terawattstunden (TWh).

Neun Stromerzeuger untersucht

Für die folgenden Stromerzeuger habe ich untersucht, was es bedeuten würde, wenn sie diese Lücke allein füllen müssten: Photovoltaik (PV) im Mittelland und alpin, Speicherseen und Pumpspeicherwerke, Batterien und Wasserstoff, Kernenergie und synthetische Biotreibstoffe sowie Windkraft.

Die folgende Grafik zeigt in aufsteigender Reihenfolge den inländischen Flächenbedarf dieser Stromproduzenten, der zur Bereitstellung der fehlenden 17 TWh Strom im Winter 2050 benötigt würde – mit Winter meine ich im Folgenden immer die vier Monate November bis Februar. Alle Zahlen in Quadratkilometern (km2) verstehen sich dabei als Grössenordnungen, nicht als präzise Angaben.

Scheinbar zwei Spitzenreiter

Eindrücklich zeigt die Grafik, dass es vermeintlich zwei klare Spitzenreiter gibt: Kernenergie und Bio-Synfuel. Weil für die Erzeugung von synthetischem Biotreibstoff aber eine enorme Fläche im Ausland benötigt wird – allein für die Palmölplantage sind es 9000 km2 – ist Bio-Synfuel doch nicht mit Kernenergie vergleichbar. Hinter diesen zwei Erstplatzierten sieht man, dass alle anderen rein inländischen Erzeugungsmöglichkeiten 60- bis 650-mal mehr Flächenbedarf haben als die Kernenergie.

Weil die Bestimmung der benötigten Flächen aber nicht bei allen Erzeugern einfach zu machen ist, erläutere ich im Folgenden jede einzelne Option der Reihe nach: Wenn immer möglich habe ich mich bei den Berechnungen auf konkret messbare Musteranlagen bezogen.

3 Kernkraftwerke APR-1400

Als Muster für die Stromerzeugung aus Kernkraftwerken habe ich den koreanischen Reaktor «APR-1400» genommen (siehe hier). Neben einer Laufzeitverlängerung unserer bestehenden Werke Gösgen und Leibstadt bis mindestens 2050 wären drei neue Werke von diesem Typus nötig, um die Winterlücke von 17 TWh zu decken. Mit einem Platzbedarf von durchschnittlich 0,2 km2 pro Anlage ergibt sich bei fünf laufenden Kraftwerken ein Flächenbedarf der Kernenergie von 1 km2.

Nicht berücksichtigt ist dabei der Flächenbedarf einer ausländischen Uranmine zur Gewinnung des Brennstoffes, der ausserordentlich schwierig zu schätzen ist.

6 Kombikraftwerke mit Bio-Synfuel

Bei der Variante mit synthetischem Biotreibstoff müsste man 3,4 Milliarden Liter importierten Treibstoff lagern (siehe hier). Dies ist mit unserer bestehenden Infrastruktur zur Speicherung von Öl und Gas möglich. Benötigt würde ein Volumen von 3,4 Millionen m3, was dem Volumen von 1,7 Basis-Gotthardtunnel-Röhren entspricht. Flächenmässig ist das 0,9 km2. Dazu kämen sechs neue Gas-Kombikraftwerke zur Verstromung, mit einem Platzbedarf von 0,7 km2. Insgesamt beträgt der inländische Flächenbedarf für Bio-Synfuel also 1,6 km2.

Nicht berücksichtigt ist dabei neben der schon erwähnten Fläche einer Palmölplantage im Äquatorbereich von 9000 km2 der Platzbedarf für die Herstellung des synthetischen Öls im Ausland.

12-mal Speicheranlage «Grande Dixence»

Als Muster für die Stromerzeugung aus Speicherseen habe ich die grösste Schweizer Anlage «Grande Dixence» genommen (siehe hier). Aus dem Ertrag von 1,4 TWh im Winter und einem Flächenbedarf von 5 km2 für die Anlage (der Stausee «Lac des Dix» hat eine Fläche von 4 km2) ergibt sich die Summe von 60 km2 für die benötigten 12 Anlagen.

Nicht berücksichtigt ist dabei die grosse Landfläche von über 4000 km2, die für das Einsammeln des Wassers für den Stausee zur Verfügung stehen muss.

34’000 Windräder vom Typus «Gütsch»

Muster für die Windkraft: Hochalpine Anlage «Gütsch» mit vier Windrädern (siehe hier). Für die Deckung der Winterlücke würden insgesamt 8500 solche Anlagen benötigt, also 34’000 Windräder. Bei einem Platzbedarf von 60 mal 60 Metern pro Windrad würde für die Windkraft eine Fläche von 122 km2 benötigt – das entspricht 1,4-mal der Fläche des Zürichsees, der 88 km2 gross ist.

Weil aber die Windräder nur im Abstand von mehreren Hundert Metern gebaut werden können, entsteht zusätzlich eine «Verspargelung der Landschaft». Nicht berücksichtigt ist dabei der Platzbedarf für Backup- und Speicheranlagen sowie Netzanpassungen zur Integration dieses nicht steuerbaren Energieträgers ins Stromsystem.

17’000-mal «AlpinSolar»

Muster für alpine Photovoltaik: «AlpinSolar» (siehe hier). Bei einem konkret gemessenen Ertrag von 1 GWh im Winter des ersten Betriebsjahres, müsste man 17’000 solche Anlagen bauen. Aus 10’000 m2 pro Anlage ergibt sich ein Flächenbedarf für hochalpine PV von 170 km2 – 1,9-mal der Zürichsee.

Nicht berücksichtigt ist dabei der Platzbedarf für Backup- und Speicheranlagen sowie Netzanpassungen zur Integration dieses nicht steuerbaren Energieträgers ins Stromsystem.

22 Gotthardröhren für die Wasserstoff-Speicherung

Bei der saisonalen Speicherung von überschüssigem PV-Sommerstrom mit Wasserstoff benötigt man eine komplexe Prozessanlage (siehe hier), deren einzelne Schritte den folgenden Flächenbedarf aufweisen:

  • Zusätzliche PV-Anlagen (39 GW): 195 km2
  • 12’000 Batteriespeicher «Dättwil»: 4.5 km2
  • 4000 Elektrolyseure «Domat/Ems»: 1.5 km2
  • Unterirdische H2-Speicherung: 44 Millionen m3
  • 4 Gas-Kombikraftwerke: 0,5 km2

44 Millionen m3 für die unterirdische Speicherung entspricht dem Volumen von 22 Gotthard-Basistunnel-Röhren. Flächenmässig sind das 10 km2. Daraus ergibt sich eine Gesamtfläche für die Wasserstoff-Speicherung von 211 km2 – 2,4-mal der Zürichsee. Die erforderliche unterirdische Speicherung ist aber bei uns aus geologischen Gründen gar nicht möglich.

500-mal Pumpspeicher «Limmern»

Muster für Wasser-Pumpspeicherung: «Limmern». Wie ich schon früher gezeigt habe (siehe hier) ist Pumpspeicherung allerdings für die langfristige saisonale Speicherung von überschüssigem PV-Sommerstrom völlig ungeeignet. Das spiegelt sich auch darin, dass rein theoretisch 500 Werke vom Typus «Limmern» notwendig wären, um das Winterloch zu stopfen. Bei einem Flächenbedarf von 0,84 km2 pro Anlage ergäbe das eine Fläche von 420 km2 – 4,8-mal der Zürichsee.

1’700’000 Batteriespeicher «Dättwil»

Muster für Batterien: Batteriespeicher «Dättwil» (siehe hier). Von diesem Speichertypus müssten 1,7 Millionen gebaut werden. Bei einer Fläche von 370 m2 pro Anlage ergibt sich ein Flächenbedarf für Batteriespeicher von 630 km2 – 7,2-mal der Zürichsee. Realistischerweise sind aber Batteriespeicher nicht für die hier geforderte saisonale Speicherung geeignet.

Zusätzliche PV-Anlagen mit 131 Gigawatt Leistung

Es bleibt noch die Lösung, die von den Energiewendebefürwortern immer zuerst genannt wird: PV-Strom aus Anlagen im Mittelland. Bei der mageren Arbeitsauslastung von 4,5 Prozent im Winter (siehe hier) müsste man zur Deckung der Winterstromlücke zusätzliche Anlagen mit einer Leistung von 131 Gigawatt neben den im Jahr 2050 schon bestehenden Anlagen mit 39 Gigawatt Leistung installieren. Bei einem Flächenbedarf von 5 m2 pro Kilowatt wäre für PV im Mittelland eine Fläche von 655 km2 erforderlich – 7,4-mal der Zürichsee.

Zusammen mit den 195 km2 der PV-Anlagen, die aufgrund der «Energieperspektiven 2050+» des Bundes bis 2050 bereits installiert sind, käme man auf eine gesamte PV-Fläche von sage und schreibe 850 km2 – das ist mehr als die Gesamtfläche aller Dächer und Fassaden in der Schweiz.

Grosse Fläche bedeutet grosser Materialaufwand

Weil für diese PV-Anlagen aber nur bereits überbaute Flächen verwendet werden, spielt die Grösse der Gesamtfläche nicht die gleiche Rolle wie bei den anderen Technologien. Allerdings bedeutet grosse Fläche immer auch grosser Materialbedarf.

Nicht berücksichtigt ist dabei der Platzbedarf für Backup- und Speicheranlagen sowie Netzanpassungen zur Integration dieses nicht steuerbaren Energieträgers ins Stromsystem

Technologie-Mischformen

Selbstverständlich habe ich diese nach Technologien streng getrennte Aufstellung nur gemacht, um für alle Stromerzeuger einen vergleichbaren Massstab zu bekommen: Anhand der Grafik lassen sich so beliebige Mischformen der Stromerzeugung einfach berechnen.

Zur Veranschaulichung der Probleme, die sich bei den verschiedenen Technologien ergeben, bringe ich zum Schluss nochmals dieselbe Flächengrafik, jetzt aber ergänzt mit den wichtigsten besprochenen Zusatzinformationen (grün unterlegte Balken beziehen sich auf das Ausland):

Quelle: Martin Schlumpf

Fazit: Zur Deckung der Winterstromlücke von 2050 schneidet von allen Stromerzeugern die Kernkraft beim Flächenvergleich weitaus am besten ab. Die einzige realistische Alternative ist Gaskraftwerke mit Bio-Synfuel, sofern wir einen Deal mit einem Land in Äquatornähe machen können. Pumpspeicherung, Batterien und Wasserstoff-Speicherung sind nicht praktikabel. Wind und PV erfordern zusätzliche hier nicht berechnete Flächen.

Die Erstveröffentlichung des Beitrags unseres Expertenbeirats Martin Schlumpf erschien am 21. Juli 2025 im Nebelspalter


Warning: Undefined array key 0 in /home/clients/e4edb75ab1fe3dae48cd333646de99dc/sites/energieclub.ch/wp-content/plugins/elementor-pro/modules/dynamic-tags/acf/tags/acf-text.php on line 33

Warning: Undefined array key 1 in /home/clients/e4edb75ab1fe3dae48cd333646de99dc/sites/energieclub.ch/wp-content/plugins/elementor-pro/modules/dynamic-tags/acf/tags/acf-text.php on line 33

Artikel teilen

Kontaktformular

Füllen Sie nachfolgendes Formular aus und wir werden Ihre Fragen beantworten.